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Nikolaus Röttger betreibt in Berlin einen Live-Podcast auf einer schönen Bühne: In der Urania, die sich selbst via Plakat als „Denksporthalle“ bezeichnet und interessantem Denken eine Bühne bietet. „Wird schon – Optimismus in herausfordernden Zeiten“ heißt das Format, zu dessen aktueller Aufnahme ich eingeladen war, um über Optimismus und Internet zu sprechen.
Ich halte das Internet für das größte Geschenk meiner Generation – und werde nicht müde, es trotz aller Kritik zu verteidigen. Gerade wer sich über Big Tech aufregt, sollte sehen wie toll es ist, dass nicht mal Elon Musk oder Jeff Bezos zum Beispiel „Email“ kaufen können, weil es ein dezentrales Protokoll ist, das niemandem gehört. Das Internet ist so viel mehr als Google oder Facebook – ich finde, das sollten wir nicht vergessen (wer sich tiefer für meine Internet-Begeisterung interessiert: auf internet-strasse.de haben wir ein paar Argumente zusammengetragen)
Nach und während des Gesprächs in der Urania bin ich wiederholt gefragt worden, wie das denn konkret gehen soll mit einer optimistischen Lebenshaltung. Deshalb habe ich versucht fünf Punkte zu notieren, die vielleicht helfen, optimistischer zu sein.
Die wichtigste Erkenntnis dabei: Es ist keine angeborene Eigenschaft, sondern eine Fähigkeit, die du trainieren kannst!
1. Es gibt einen Raum zwischen Reiz und Reaktion
Wir glauben oft, einzig externe Ereignisse bestimmten unsere Ansichten und Haltungen. Wer allerdings eine optimistische, zukunftsmutige Sicht auf die Welt üben will, sollte sich daran erinnern: Es gibt keine zwangsläufige Verbindung von externem Reiz und interner Reaktion, im Gegenteil: zwischen beiden kann ein Raum entstehen, in dem wir die Freiheit haben, selbst zu entscheiden, wie wir reagieren. Wir müssen bei vermeintliich gutem Wetter nicht gut gelaunt sein. Wir können selbst darüber entscheiden, wie wir das Wetter finden wollen. Und genau diese Fähigkeit können wir üben – zujm Beispiel mit der daraus folgenden Erkenntnis:
2. Gute Laune braucht keinen Grund
Aus dem Podcast „Modern Wisdom“ habe ich diese sehr schöne Beobachung von Alex Hormozi mitgenommen. „Die größte Fähigkeit, die man entwickeln kann“, sagt er, „ist die Fähigkeit, auch dann gute Laune zu haben, wenn es nichts gibt, worüber man gute Laune haben könnte.“ Ich mag diese Beschreibung, weil sie die positive Seite von dem beschreibt, was wir Resilienz nennt – also die Fähigkeit widerstandsfähig, vielleicht sogar biegsam zu sein, wenn negative Reize auf dich einwirken. Dieser Punkt ist mir wichtig, auch wenn es bei wirklichem Optimismus nicht um Stimmungen oder Launen geht, sondern um eine grundsätzliche Haltung zum Morgen, die ich Zukunftsmut nennen würde.
3. Zukunftsmut ist nicht alles, aber ohne Zukunftsmut ist alles nichts
Der Titel von Niklaus‘ Podcast ist meiner Ansicht nach etwas irreführend: „Wird schon“ ist keine Überschrift für die Form von Optimisums, die mich interessiert. Es geht mir nicht um den blinden Glauben an automatischen Fortschritt. Mir geht es um die Bereitschaft, Dinge besser zu machen und den Glauben daran, dass du mit deinem Zutun Zukunft gestalten kannst. Diese Haltung nenne ich Kulturpragmatismus oder Zukunftsmut. Und ich glaube, dass ohne diese Haltung die Welt tatsächlich schwer erträglich erscheinen kann.
Zukunftsmut wird nicht alle Herausforderungen lösen. Aber mit Zukunftsmut kannst du dem schlimmen Gefühl der Machtlosigkeit entkommen. Denn das Gegenteil der optimistischen Haltung, zu der ich anstiften möchte, ist nicht Pessimismus, sondern Machtlosigkeit. Wer in dem Gefühl gefangen ist, nichts ausrichten zu können, ist auf eine Weise überfordert, die unempfänglich macht für Zukunftsmut. Deshalb ist der erste Schritt zu Zukunftsmut die Konzentration auf kleinere Aufgaben, die Selbstwirksamkeit ermöglichen.
4. Schaffe Selbstwirksamkeits-Erfahrung
Es spielt eine Rolle, dass du da bist und mitmachst. Es spielt eine Rolle, dass du dich engagierst. Durch deine Hände Arbeit hat sich etwas verändert. Dieses Gefühl nennt man Selbstwirksamkeits-Erfahrung. Und ich glaube, dass es wenig gibt, was motivierender wirkt als dieses Erfahrung. Der beste Weg, um zukunftsmutiger zu werden, ist deshalb meiner Meinung nach, sich selbstwirksamer zu machen: Schaffe dir Felder, in denen du die Ergebnisse deiner Arbeit siehst. Engagiere dich bei lokalen Projekte und schenke den Folgen deiner Arbeit dort Aufmerksamkeit! Klar, du wirst nicht die Welt retten, wenn du einer Person in deinem Umfeld Inspiration, Aufmerksamkeit oder Hilfe gibst, aber du wirst dich selbst vor dem Gefühl der Machtlosigkeit retten.
5. Sprich drüber – auch wenn es naiv wirkt
Du bist nicht alleine mit dem Gefühl der Überforderung, das manchmal in Machtlosigkeit kippt. Es gibt mehr Menschen, denen es so geht – und es ist schön, das zu bemerken. Deshalb empfehle ich, ins Gespräch zu gehen. Sprich mit anderen darüber – und du wirst merken: Es ist nicht naiv, mit Optimismus zu strugglen. Es fällt manchen nur sehr viel leichter, eine skeptische Hülle aufzubauen und auf Bühnen ihre Sorgen zu thematisieren. Denn wer Sorgen äußert, wirkt sofort klüger und weitsichtiger als die, die auf einer Bühne die Hoffnung verbreiten, dass wir gemeinsam etwas Besseres gestalten können. Erlaube dir trotzdem diese Naivität. Es ist nicht verboten, daran zu glauben, dass es besser werden kann!
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