Digitaler Heimat- und Brauchtumsverein (Digitale Oktober Notizen)


Was in den nächsten Zeilen folgt, ist vielleicht eine recht gute Idee und vielleicht nur ein kleiner Witz. Um das herauszufinden, schreibe ich es jetzt hier auf und überlasse die Entscheidung dem Internet!

[white_box]

Dieser Text ist Teil die Oktober-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, den man hier kostenlos abonnieren kann! Er beschreibt die Idee, einen digitalen Heimat- und Brauchtumsverein zu gründen. Interessenten tragen sich dafür hier ein!

[/white_box]


Wir sollten gemeinsam Deutschlands größten Brauchtumsverein gründen: Einen Verein für Menschen, deren Heimat das Internet ist. Einen Verein, der sich um die digitale Volkskultur bemüht und deren Förderung einfordert. Die Debatten der vergangenen Monate um Netzneutralität und Verlinkung einerseits sowie über Nationalismen und Hate Speech andererseits zeigen: Das Internet, das vielen Menschen Heimat ist, verdient Schutz und Pflege!

Um die Forderung danach zu artikulieren und einzufordern, müssen vielleicht diejenigen Wege beschritten werden, die klassischer Weise eingeübt sind. Um zu erklären, warum digitale Kultur bedeutsam ist, muss man vielleicht die Begriffe verwenden, die in der Kulturförderung gelernt wurden. Und um den Nationalisten aller Länder zu zeigen, dass das Internet für Völkerverständigung und Austausch über alle Grenzen hinweg steht, muss man ihre Begriffe neu definieren: Wer im Internet Zuhause ist, hat das gleiche Recht auf Brauchtums- und Heimatpflege wie all die anderen Interessengruppen, die in Schulen, Behörden, Gremien, Kirchen, Parteien und Gewerkschaften Einfluß nehmen. Der digitale Heimat- und Brauchtumsverein soll genau hier auftreten – und z.B. „durch vertiefte Heimatkenntnis zu Heimatliebe führende Erziehung“ fordern. Das habe ich auf der Website des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege gelesen und mir gedacht: Das könnte muss doch auch für die digitale Heimat gelten!

home-is

Und zwar so:
Die folgenden acht Punkte sind ein erster Vorschlag für eine mögliche Satzung eines digitalen Heimat- und Brauchtumsverein

Heimatverein Internet

1. Wir lieben das Internet und die neuen Formen der (Volks- und Beteiligungs-)Kultur, die es hervorgebracht hat und weiterhin hervorbringen soll. Das Internet ist uns grenzüberschreitende Heimat geworden, deren Erhalt und Pflege oberstes Vereinsziel ist! Wir haben das Internet als netzneutrales, völkerverbindendes Netzwerk der demokratischen Bürger*innenbeteilung kennen gelernt. Als solches wollen wir es verteidigen und ausbauen. Anlasslose Massenüberwachung aus kommerziellen wie politischen Gründen, Einschränkung des Zugangs sowie den Bruch des Fernmeldegeheimnis lehnen wir strikt ab!

2. Digitale Kultur verdient (mindestens) das gleiche Ansehen und die gleiche auch finanzielle Förderung wie etablierte Kulturformen. Als Lobby-Verein für digitale (Volks-)Kultur verstehen wir uns als Teil der digitalen Zivilgesellschaft, die die Schaffung angemessener digitaler Rahmenbedingungen auch als zivilgesellschaftliche und öffentliche (nicht einzig privatwirtschaftliche) Aufgabe versteht. Dazu zählt für uns der zügige Ausbau der digitalen Infrastruktur ebenso wie die Modernisierung des Urheberrechts.

3. Unser Ziel ist es, die digitale Kultur in öffentlichen Organisationen und Gremien angemessen zu repräsentieren, sie gegen einseitige kommerzielle Interessen nicht nur der Digitalwirtschaft zu verteidigen und nicht zuletzt ein Bewusstsein für ihre gesellschaftliche Bedeutung in Schulen, Parlamenten, Parteien, Kirchen und Verbänden zu schaffen. Wir verstehen dies als Voraussetzung für einen souveränen Umgang mit dem Digitalen, der dringend überfällig ist.

4. Digitale Brauchtumspflege ist ein internationales Anliegen. Als deutschsprachiger Verein verstehen wir uns als Teil einer internationalen Gemeinschaft, setzen uns aber zuvorderst in deutschen Behörden und Organisationen für die Vereinsziele ein – auch um der deutschsprachigen digitalen Kultur angemessene Förderung zukommen zu lassen. Dabei sind wir in keiner Weise parteipolitisch gebunden, sondern geleitet von diesem Anliegen: die Pflege und den Ausbau des digitalen Brauchtums stärken und die demokratische Gestaltung der digitalen Sphäre durch eine aktive, vielfältige Zivilgesellschaft vorantreiben. Dabei verstehen wir uns als Erweiterung, nicht als Konkurrenz zu CCC, Digitale Gesellschaft, EFF, D64 und vielen anderen, die sehr gute Arbeit leisten.

5. Das Bekenntnis zur digitalen Heimat bedeutet ausdrücklich auch: Wir lehnen Nationalismus, Rassismus, Sexismus und jegliche Ausgrenzung vermeintlicher Minderheiten ab. Wir sehen im Internet einen grenzüberschreitenden Ort der Verbindung, den wir schützen und ausbauen wollen.

6. Wir wünschen und fördern einen pragmatischen Umgang mit den gesellschaftlichen Veränderungen, die durch das Internet und die Digitalisierung angestoßen wurden. Wir wehren uns gegen einseitige Panikmache und stellen dem die Forderung entgegen, Veränderungen im Sinne der Werte von Freiheit und Demokratie zu gestalten. Angst führt niemals zu Souveränität!

7. Ziel und Zweck des Vereins ist die Förderung
… von Kunst und Kultur in der digitalen Sphäre,
… der Bildung zur selbstbesimmten, schöpferischen Gestaltung der digitalen Sphäre.
… von Wissenschaft, Forschung über die digitale Sphäre.
… bürgerschaftlichen Engagements zugunsten dieser Zwecke.

8. Der Vereinszweck wird insbesondere verwirklicht durch …
… Zusammenarbeit mit Lehrkräften und Erziehern, Schulen und Jugendverbänden zur Unterstützung einer durch vertiefte Heimatkenntnis zu Heimatliebe führenden Erziehung.
… heimatkundliche (virtuelle) Zusammentreffen
… Herausgabe von (digitalen) Zeitschriften und sonstigen Publikationen über grundsätzliche und aktuelle Fragen der Erhaltung und Fortentwicklung digitaler Kulturwerte
… Bildungsarbeit auf allen Gebieten der digitalen Kultur
… öffentliche Stellungnahmen zu wichtigen Fragen der Digitalkultur
… einen jährlichen Preis zur digitalen Brauchtums- und Heimatpflege

Interessiert? Dann kommt hier der Vorschlag: Wenn sich bis Ende des Jahres 2016 auf diese Liste mindestens 1000 Menschen eintragen und Interesse an einem solchen Verein zeigen, gehen wir das Ganze im Jahr 2017 an. Deal? Deal!

HIER MITMACHEN

[white_box]

Dieser Text stammt aus dem monatlichen Newsletter Digitale Notizen

Dieses Jahr sind bereits erschienen: „Ein Dutzend Ideen für die Journalistenausbildung“ (September) „Soll mein Buch auf Facebook?“ (August), „Der Grüffelo in Social Media“ (Juli) „Kulturpragmatismus“ (Juni) „Die Zukunft der Medien: Meine Handy-Nummer“ (Mai) „Alles, was ich über Social Media weiß“ (April) „Die Zeitung nach dem Papier“ (März) „Denke kleiner“ (Februar) und „Social-Media-Gelassenheit“ (Januar).

[/white_box]

5 Kommentare

Kleiner Hinweis: _Im_ Bundestag gibt es ja die Installation „Der Bevölkerung“, die Du ja sicher auch kennst und die eine bewusste Abregenzung vom Volk ist, weil der Volksbegriff eine durch den Faschismus fortan untragbare pseudo-biologische Komponente hat (Stichwort „Ariernachweis“). Mal ganz zu schweigen von all den barbarischen Verwendungen des Adjektives „völkisch“, die den Begriff noch mehr belastet haben.

Vielleicht magst Du die „Volks-“ Vokabeln im Text nochmal überdenken? Oder – falls nicht – kurz erläutern, warum Du Dich da für das eher aus- und abgrenzende „Volk“ und gegen die eher zusammenfassende „Bevölkerung“ entschieden hast?

Danke für den Hinweis, ben! Aber die Wahl des Begriffs ist volle Absicht: Denn bei den anderen Lobby-Gruppen, die sich z.B. für Musik einsetzen, spricht man ja auch nicht von „Bevölkerungs-Musik“, sondern von „Volks-Musik“! Und wenn wir einen Musikantenstadl für Digitalkultur im TV haben wollen, müssen wir die gleichen Begriffe nutzen ;-)

Etwas ernsthafter hat Felix Stalder das in „Kultur der Digitalität“ erklärt. Er schreibt darin von einer „digitalen Volkskultur des Remix und Mashups“(…), die „von unzähligen
Personen mit sehr unterschiedlicher Intensität und unterschiedlichem
Anspruch betrieben“ wird. „Die Gemeinsamkeit mit der traditionellen
Volkskultur, im Gesangsverein oder anderswo, liegt darin, dass
Produktion und Rezeption, aber auch Reproduktion und Kreation weitgehend
zusammenfallen.“

/index.php/netz/meme-in-den-unterricht-das-tincon-zeugnis/

Ach und: Ich bin wirklich erstaunt, über das nicht existenze Kommentaraufkommen hier. Ich nehme an, Deine Beiträge werden woanders diskutiert, aber traurig ist das schon.

bisschen auf twitter, bisschen auf facebook, aber so echte blogdiskussionen wie früher habe ich schon länger nicht mehr erlebt. vielleicht liegts an disqus? vielleicht an mir?

Kommentare sind geschlossen.