Die Sache mit der Kopie: 10 Dinge, die wir von Melania Trump und Michelle Obama lernen können

Für einen Fan der völlig unterschätzten Kulturtechnik des Kopierens war heute ein interessanter Tag: Melania Trump hat in ihrer Rede beim Parteitag der Republikaner in Cleveland Passagen einer Rede wiederholt, die die aktuelle Präsidentengattin Michelle Obama 2008 in einer Rede genutzt hat (und ja, sie hat auch Rick Astley kopiert). Dieser Umstand hat nicht nur für einige Social-Media-Aufregung gesorgt, sondern legt auch die Notwendigkeit einer Klarstellung dar. Deshalb hier – anknüpfend an ein kurzes Gespräch in Deutschlandradio Kultur – zehn Dinge, die man von dem Fall „Melania Trump kopiert Michelle Obama“ lernen kann:

1. Ja, es ist eine Kopie. Die Behauptung, dass Politiker-Reden doch eh voll von Floskeln sind, ist erstens nicht richtig und im konkreten Fall zweitens nicht hilfreich.

2. Nein, es war keine gute Kopie. Trump hätte dafür mindestens ihre Quellen offenlegen müssen. Denn das machen gute Remixer und Mashup-Künstler: Sie benennen ihre Referenzen.

3. Für mich zeichnet sich eine lobenswerte Kopie übrigens durch zwei weitere Kriterien aus: Neben der Benennung der Quellen darf sie nicht eine bloße Wiederholung sein, sie muss eine neue Form finden und eine gewisse Schöpfungshöhe überschreiten.

4. Denn natürlich schaffen wir alle etwas indem wir Bezüge herstellen. Wir stehen – wenn man ein berühmtes Zitat benutzen will – auf den Schultern von Riesen. Aber gerade deshalb ist es wichtig, gutes Kopieren einzuüben.

5. Dafür ist es meiner Meinung nach wichtig, die binäre Unterscheidung zwischen Kopie (böse) und Original (gut) durch eine skalierte Differenzierung zu ersetzen. Es gibt originellere und weniger originelle Werke. Schließlich ist auch Originalität keine entweder-oder-Fähigkeit. Warum beurteilen wir eigentlich die Werke, die aus Originalität entstehen, so eindimensional?

6. Wie originelle Referenzen entstehen können, kann man übrigens unter dem Hashtag #FamousMelaniaTrumpQuotes nachlesen:


7.
Im Rahmen der Web-Witze zum Thema tauchte übrigens auch eine Kopie eines Bildes von Michelle Obama auf, das die First Lady in Rahmen ihres Engagements in der BringBackOurGirls-Aktion gemacht hatte – und darauf ein weißes Blatt Papier hochhält. Dieses wurde – Kopiermaschine Internet – nun für neue Zwecke genutzt: Um der Forderung „Bring Back My Speech“ Ausdruck zu verleihen.

8. Aber natürlich ist Michelle Obama weit davon entfernt, die Kopisten jetzt auch noch mit einer Reaktion zu adeln. Stattdessen kursiert heute ein Video, das Obama beim Kopieren zeigt: Im Laufe der Woche wird ein Clip veröffentlicht, der sie beim Carpool-Karaoke zeigen wird.

9. Zusätzlich zu der Frage, wie man die Kopie zu bewerten haben, muss man einen Aspekt der Aufmerksamkeits-Ökonomie bedenken: Ergebnis dieser (unguten) Kopie ist für Melania Trump, dass plötzlich allüberall Bilder zu sehen sind, die die Frau, die gerne First Lady werden will im Gegenschnitt mit Bildern der Frau zeigt, die aktuell First Lady ist.

10. Anders formuliert: Es genügt nicht, sich mit dem Bedingungen des Kopierens zu befassen. Wir müssen auch in den Blick nehmen, wie Werbung Politik heute funktioniert. Dafür ist diese Kopie ein Lehrbeispiel, das allerdings selber wieder zehn Punkte rechtfertigen würde.

mashup

Zum Weiterlesen:
Vor fünf Jahren erschien bei Suhrkamp mein Buch „Mashup – Lob der Kopie“, über das ich am 23. September im NRW-Forum in Düsseldorf sprechen werde.

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