[white_box]
Dieser Text ist Teil der Dezember-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, den man hier kostenlos abonnieren kann.
[/white_box]
So wie man keinen Witz erzählen sollte, dessen Pointe man nicht kennt, sollte man auch kein Gespräch, keine Beziehung und keinen Job beginnen, ohne sich vorher über die Erwartungen klar zu werden. Und auch ein neues Jahr beginnt man am besten, indem man Erwartungsmanagement in eigener Sache betreibt. (Foto: unsplash)
Das ablaufende Jahr war für mich (aufgrund der ¯\_(ツ)_/¯ Veröffentlichung) geprägt von Gesprächen darüber wie wir mit dem Unbekannten und Neuen umgehen. Dabei habe ich festgestellt, dass wir häufig zuerst auf das schauen, was kommt und weniger auf das, was wir schon mitbringen: Unsere Erwartungen und Prägungen bestimmen auf erstaunliche Weise was wir von dem Unbekannten und Neuen halten. Um diesen gedrehten Blick auf das vermeintlich Fremde zu dokumentieren habe ich die Domain erwartungs-management.de registriert (und hierhin gelenkt). Denn mir scheint, dass ein sinnvolles Erwartungsmanagement dazu angetan ist, Zufriedenheit, Selbstwirksamkeit und vielleicht sogar Hoffnung zu steigern.
Meinem Eindruck nach erwachsen nämlich die nachhaltigsten Kränkungen (und damit verbundenen Probleme) aus enttäuschten Erwartungen. Das gilt auf persönlicher Ebene genauso wie im politischen Raum: Das Gefühl zu kurz zu kommen, erzeugt einen sehr tiefsitzende Schmerz – den besonders populistische Bewegungen geschickt für sich nutzen. Man kann das in allen Schattierungen des politischen Spektrums sehen. Wer z.B. der Meinung ist, dass die Bundestagswahl doch eh sinnlos sei, weil sich nach der Wahl ja gar nichts geändert habe, sollte Erwartungsmanagement betreiben. Denn der Anspruch an eine demokratische Wahl, die eigenen Vorstellungen eins-zu-eins in die Tat umzusetzen ist schlicht falsch. Es ist das Prinzip der Demokratie, dass sie auf Kompromissen basiert (ausführlich dazu im Juli-Newsletter).
Doch wenn wir über enttäuschte Erwartungen sprechen, reden wir häufig nur über die Enttäuschung und die damit verbundenen Ungerechtigkeit. Nur selten schauen wir auf den Teil der enttäuschten Erwartungen, auf den man auch als enttäuschte Person aktiv Einfluss nehmen könnte: auf die eigenen Erwartungen.
Ich glaube, dass hier ein wichtiges Werkzeug zur eigenen Zufriedenheit liegen kann. Erwartungsmanagement kann ein ein zentraler Hebel dafür sein, gelassener durchs Leben zu gehen. Und damit meine ich nicht das Bonmot, das besagt, dass man nur keine Erwartungen haben soll, weil man dann ja auch nicht enttäuscht werden kann. Ich meine, dass man sich vorab darüber klar wird, was man eigentlich erwartet. Selbstwirksamkeit in dem Sinne wie Meike Winnemuth sie unlängst im Stern beschrieben hat, basiert darauf, sich vorher Gedanken darüber gemacht zu haben, wo man eigentlich hinwill – oder um es im Sinne der Domain zu sagen: Es geht darum, Erwartungsmanagement zu betreiben. Damit meine ich diese vier Punkte
1. Beginne mit deinem Warum!
Um am Ende ein Ergebnis bewerten zu können, sollte man zunächst klären, warum man eigentlich beginnt. Simon Sinek nennt diesen Ansatz „Start with why“ – also: Beginne mit der Frage nach dem „Warum?“ und nicht mit dem Inhalt (Was?) oder der Form (Wie?) dessen, was du tust. Um diesen Ansatz auf die Idee des Erwartungsmanagements zu übertragen, muss man seinen zentralen Satz („Menschen kaufen nicht was du machst, sie kaufen warum du es machst“) nach innen richten – und herausfinden, welche abstrakte Intention oder konkrete Motivation dich antreibt. Ich glaube, dass diese Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation wichtig ist, um am Ende Ergebnisse zu messen. Tue ich etwas, um anderen zu gefallen? Um Aufgaben oder Zwänge zu erfüllen? Oder dient mein Handeln einem höheren Ziel? Beantwortet es ein Warum?, das über „Geld verdienen“ hinaus geht?
Ich glaube es ist nahezu unmöglich, Ergebnisse angemessen zu bewerten, ohne diese Fragen vorher zumindest gestellt zu haben. Sie bilden die Grundlage für jegliche Form der Ergebniskontrolle und -bewertung. Erwartungsmanagement ist in diesem Sinne nichts anderes als die Klärung der Ziele, die man erreichen will. Das klingt viel leichter als es häufig ist.
2. Definiere deine Ergebnisse
Um die Wirkung eines Projekts zu messen, muss man den Grad der Veränderung zum vorherigen Zustand messbar machen können. Man spricht von Wirkungslogik – und kann diese Methode nicht nur für Fragen der Transformation von Unternehmen und Organisationen oder für Innovationsmanagement anwenden, sie hilft auch um persönliches Erwartungsmanagement zu betreiben.
Dabei sollte man zunächst der sprachlichen Unterscheidung folgen, die es im Englischen für das gibt, was am Ende rauskommt: Output (reines Ergebnis), Outcome (Direkte Auswirkung des Resultats auf einen bestimmen Kreis) und Impact (gesellschaftliche bzw. langfristige Auswirkung des Resultats) beschreiben allesamt Ergebnisse eines Prozesses, aber alle drei Begriffe beziehen sich auf unterschiedliche Aspekte dessen, was man erreichen kann. Outcome und Impact beschreiben die Wirkungsebene des Resultats (Output) und verlangen deshalb immer nach einer Bezugsgruppe und einem Zeitraum, für die bzw. auf die sie Wirkung zeitigt. Diese Differenzierung ist bedeutsam, weil in ihr auch angelegt ist, auf welche Bereiche man tatsächlich Einfluss nehmen kann und welche vor allem vom Zusammenspiel anderer Faktoren und Personen abhängen. Das Prinzip dahinter ist in dem von der Bertelsmann-Stiftung finanzierten Projekt Wirkung lernen anschaulich beschrieben – und es ist im Sinne eines guten Erwartungsmanagements dienlich sich dessen bewusst zu werden.
3. Begreife deine Belohnung
Der Wert eines Projekts hängt aber nicht nur an den Resultaten und deren Auswirkungen. Auch das Feedback und die Anerkennung, die man während des Projekts erhält, spielen bei der Bewertung eine wichtige Rolle – sie sind unter Umständen sogar bedeutsamer als die reinen Resultate. Denn mit jedem Projekt ist stets auch der Wunsch nach positivem Feedback verbunden. Diese Anerkennung kommt dabei im besten Fall sowohl von innen wie von außen. Die Belohnung in Bezug auf die intrinsische und extrinsische Motivation (siehe Punkt 1) ist dann im Gleichgewicht. Um Erwartungsmanagement zu betreiben, sollte man also vorher klären, woher Belohnungen kommen können – und aufmerksam dafür bleiben, wie diese Einfluss nehmen, sich also ernsthaft „darum kümmern, wie viel Anerkennung kriege ich gerade von draußen, wie viel Anerkennung muss ich mir selber geben, und habe ich die Ressourcen, das hinzukriegen?“ so jedenfalls hat es der Coach Jens Braak unlängst in einem Interview in Deutschlandfunk Kultur formuliert.
Das Bewusstsein um (ausbleibende) Belohnungen und ihre Folgen spielt eine zentrale Rolle im Erwartungsmanagement. Es geht um die Geschichte, die man anschließend erzählen kann und es geht um die Motivationsfaktoren, die daraus erwachsen können. In einem gut geführten Projekt (im Sinne von Leadership) gelingt dies durch das Team, es kann aber auch mal vorkommen, dass man sich selber darum kümmern muss: gerade dann sollte man Erwartungsmanagement in eigener Sache betreiben.
4. Frage dich: „Was würde der Shruggie tun?“
Menschen, die die Ruhe, Zeit und finanzielle Ausstattung haben, sich externe Beratung in Form eines Coachings einzuholen, erwerben damit vor allem eins: Abstand. Denn das Ziel eines jeden Coachings liegt darin, mit Abstand auf das aktuelle Problem zu schauen – und daraus neue Optionen zu ziehen. Gutes Coaching eröffnet somit mehr Möglichkeiten, gerade dann, wenn eine Situation ausweglos scheint.
Diese Perspektive des Erwartungsmanagements ist für mich perfekt im fröhlichen Schulterzucken des Shruggie gefasst. Seine kontinuierliche Frage: Was wäre, wenn das Gegenteil richtig wäre? inspiriert dazu, eine andere, distanzierte Perspektive einzunehmen. Der Shruggie ist so auf eine hoffnungsvolle Weise der beste Erwartungsmanager, den man sich wünschen kann.
Sein Ziel ist es, sich nicht hinter Pessimismus oder Optimismus zu verstecken, sondern den Blick zu öffnen für eine Form der aktiven Beteiligung. Für ihn ist Zukunft gestaltbar. Er sagt: Es spielt eine Rolle, dass und wie du dich beteiligst. In dem Sinne wie Rebecca Solnit Hoffnung als Umarmung des Unbekannten definiert hat, gestaltet der Shruggie die Erwartung auf die Ergebnisse eines Projekts – im besten Sinne hoffnungsvoll.
Denn dieser abschließende Punkt steckt auch in dem, was ich Erwartungsmanagement nenne: die Bereitschaft aktiv in das jeweilige Gespräch, in die Beziehung oder den Job einzusteigen. Das Schulterzucken des Shruggie ist für mich Ausdruck der Offenheit, sich einzulassen und mitzumachen. Auf diese Weise kann gutes Erwartungsmanagement helfen, gelassener und vielleicht sogar zufriedener durch Projekte oder in ein neues Jahr zu gehen.
Dieser Text stammt aus dem monatlichen Newsletter Digitale Notizen, in dem man mir beim Denken zusehen kann.
In diesem Newsletter sind z.B. erschienen: „Kann es (noch) besser werden?“ (Juni 2018) „Altland“ (April 2018) „#smarterphone“ (März 2018) „Anleitung zum Unkreativsein“ (Januar 2018) „Newsletter über Newsletter“ (Dezember 2017), „Wir sind unbeugsam“ (Oktober 2017), „Unser Land – unsere Regeln“ (September 2017) „Selbstverpflichtung gegen den Terror“ (August 2017), „Freiheit zum Andersdenken“ (Juli 2017), „Was Medien vom Laufen lernen können“ (Mai 2017), „Fairer Teilen“ (März 2017) „Streiten lernen – für ein besseres Internet“ (Januar 2017), „Digitaler Heimat- und Brauchtumsverein“ (Oktober 2016), „Ein Dutzend Ideen für die Journalistenausbildung“ (September 2016) „Kulturpragmatismus“ (Juni 2016), „Denke kleiner“ (Februar 2016 ) „Social-Media-Gelassenheit“ (Januar 2016).