Marken werden Medien

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Vier Stunden vor dem gestrigen Spiel gegen die TSG Hoffenheim postete der Account des FC Bayern Profis Mario Götze das obige Motiv auf Instagram. Innerhalb von sechzig Sekunden, reagierten 1990 Instagram-Nutzer mit einem „gefällt mir“ auf das Motiv, das darauf hinwies, dass der gestrige Samstag ein Matchday genannter Spieltag sei.

Das Tempo der Begeisterung lies innerhalb der ersten Viertelstunde etwas nach. Statt 33 Likes in der Sekunde, klickten bis zur 14ten Minute durchschnittlich zwanzig Nutzer innerhalb einer Sekunde auf „gefällt mir“. Bis zum Anpfiff hatte sich die Anzahl der Likes für das Instagram-Motiv auf fast 92.000 summiert. Das ist drei Mal soviel wie Götzes Bild bis jetzt (fast 24 Stunden später) auf Facebook erzielt hat. Als Götze das 1:0 im Stadion in Fröttmaning erzielte, war die Zahl der Likes bei rund 100.000. (Zur Detailansicht auf das Bild klicken)

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Der Mann, dessen Name sich nur in einem Buchstaben von Goethe unterscheidet, hat 2,2 Millionen Instagram-Accounts hinter sich versammelt. Das ist viel, aber auch nicht ungewöhnlich für einen Spieler dieser Bekanntheit. Immerhin ist er Schütze des Siegtors im WM-Finale – und wie das aktuelle 11Freunde-Cover erinnert „der bessere Messi“.

Das Spiel gegen Hoffenheim war als Spitzenspiel in der derzeit mittelspannenden Bundesliga angekündigt, endete aber eindeutig mit 4:0 für den FC Bayern. Es darf also in Sachen Instagram-Analyse als gewöhnlich gewertet werden.

Und deshalb schreibe ich das überhaupt auf: In einem durchschnittlichen Bundesligaspiel erreicht ein Profi des Rekordmeisters mit einem durchschnittlichen Instagram-Motiv im November 2014 über 100.000 Likes – wobei ich die Zahl der Likes als Annäherung für ein bewusstes Erreichen von Zuschauern werte. Gesehen haben das Motiv vermutlich sogar noch entschieden mehr Menschen.

Mario Götze ist nicht mehr nur Spieler einer Fußball-Mannschaft oder Werbeikone für Unternehmen – er ist selber ein Medium. Im Frühjahr 2009 schrieb ich für die SZ über die Twitterwette zwischen Ashton Kutcher und CNN und die Frage, warum prominente Menschen Social-Media-Dienste nutzen (ja darüber wunderte man sich damals)

Damit ist die behauptete Demokratisierung der Publikationsmittel durch das Internet nun bei denen angekommen, die schon immer in der Öffentlichkeit standen: Ashton Kutcher und alle anderen VIPs, die twittern, nutzen die Kurzmitteilungsplattform, um die Macht darüber zurückzugewinnen, was und wie über sie berichtet wird. Wenn Kutcher Bilder vom angeblichen Hinterteil seiner Ehefrau ins Netz stellt, verlieren alle Paparazzi-Schnappschüsse mit ähnlichen Motiven ihren Wert. Kutchers Botschaft lautet: Näher und authentischer kann niemand über mein Leben berichten als ich selbst.

Fünfeinhalb Jahre muss man festhalten, dass der Prozess auf einer neuen Stufe angekommen ist: Marken werden Medien. Das Beispiel der Marke „Mario Götze“, die übrigens auch eine Website betreibt, die so aussieht wie ein Fußballmagazin, zeigt dies nicht nur auf dem Kanal Instagram gerade sehr deutlich. Das Medienkonzept hinter dem Fußballer wird unter dem Hashtag #partofgoetze in allen digitalen Kanälen (Web, App, Social-Media) gebündelt – und wirft die Frage auf: Wie reagieren Medien auf diese Entwicklung?


Update:
David Bauer weist mich auf ThePlayersTribune hin.

6 Kommentare

Die Content-Marketing-Strategien sind ja inzwischen ein eigenes Expertengeschäft und „Hinter-den- Kulissen-Photos“ nur eine von hunderten Möglichkeiten („100 Killer Ideas for your Social Media Content“ http://onforb.es/1qSTPyI) Was Götze und Bayern München angeht, so ist der Witz allerdings der, dass sie – bislang noch – ein Derivat sind. Der Medienwert von Prominenten ist noch primär davon abhängig, wie oft sie im Fernsehen zu sehen ist. Ein erstes Substitut für TV hat sich mit Youtube herauskristallisiert – da dreht sich dann die Kette der Generierung und Ausschlachtung von Prominenz schon mal in die andere Richtung und die Stufen des Wichtigwerdens gehen dann vom Netz über auf die „alten“ Medien.

Wenn man sich fragt, wie die Journalisten damit umgehen sollten, dann kann man (vermutlich vergeblich) hoffen, dass sie der Sache nicht völlig auf den Leim gehen, das heißt das Prominenz-Business noch weiter anheizen. Für Journalisten (das sind Menschen, die noch Fragen zu dem haben, worüber sie berichten) sind solche Phänomene wie der Fußballhelden-Hype allerdings wichtig, um Zielgruppen zu verstehen und dann eventuell auch zu adressieren.

Die Gala-Bunte-Fraktion wird im übrigen, würde ich vermuten, unter den neuen „selbstbestimmten“ Kanälen von Marken und Prominenten am wenigsten leiden, weil letztlich ihre No-brain-Themen dadurch noch eine Potenz „wichtiger“ werden. Sie müssen dann nur – bildhaft gesprochen – nicht den Selfie von Götze zeigen, sondern wie Götze den Selfie gemacht hat. Das ist ja das Schöne an Fans als Zielgruppe, dass sie es nie satt haben. Schwierig ist natürlich nur der Verkauf von etwas, was ausreichend gratis zu haben ist. Das bedürfte mehr Nähe, als der Nähe als dem Follower auf Instagramm gewährt wird (was ja auch nicht viel Nähe ist, eher nur die Illusion von Nähe).

Das Medium Götze transportiert zahlreiche Inhalte um seine Person herum – und beeinflußt damit sein öffentliches Bild in einer vorher nicht gekannten Weise.

[…] MARKEN Dirk von Gehlen: Marken werden Medien: Anhand des Fußballspielers und WM-Torschützen Mario Götze beschreibt Dirk von Gehlen, wie Marken zu Medien werden. Schon längst ist Götze nicht mehr nur ein Fußballspieler oder die Werbeikone eines Unternehmens, er ist selber ein Medium. Auf Instagram erreicht Götze mit seinen Bilder und kurzen Videos beispielsweise mehr als 2,2 Millionen Follower. Mehr als hunderttausend Fans liken durchschnittlich seine Bilder. Dazu betreibt der Fußballspieler eine eigene Website, die einem Magazin ähnelt. Somit ist aus der Marke Mario Götze ein Medium geworden.  […]

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