Die falsche Rede vom Diebstahl

Der Dieb stiehlt Sachen. Das gestohlene Fahrrad ist weg, es ist nicht mehr an seinem Platz, es fehlt seinem Besitzer. Geistige Inhalte – Geschichten, Lieder, Bilder in allen möglichen Kombinationen – sind nicht weg, wenn sie erschlichen worden sind. Die Bilder und die Bücher sind noch an ihrem Platz, und die Spiele-Software läuft auf der ersten Kopie so gut wie auf allen weiteren Kopien. Geistige Inhalte sind öffentliche Güter, das heißt, sie können von vielen gleichzeitig genutzt und sie können leicht erschlichen werden. Darin liegt ein Problem. Aber dieses Problem lässt sich erst lösen, wenn die falsche Rede vom Diebstahl einer Sache aufhört.

Michael Hutter (Professor an der Technischen Universität Berlin und Direktor der Abteilung „Kulturelle Quellen von Neuheit“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) erklärt in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung, warum die Rede vom Diebstahl geistigen Eigentums nicht hilfreich ist – mehr dazu hier!

9 Kommentare

„Diebstahl“ ist ja noch harmlos, bei der Rede wider den „Raubkopierer“ jedenfalls schwingt ja sogar noch mit, das die fremde bewegliche Sache mit Gewalt an sich gebracht wird.

Der „Raubkopierer“ aber ist der industrielle Arbeiter des 21. Jahrhunderts im digitalen – er stellt ein weiteres gleiches Stück her.

Natürlich ist nicht von Diebstahl zu reden, wo es keine Wegnahme gibt. Der Raub, der durch den Ausdruck „Raubkopierer“ unterstellt wird, impliziert auch eine Wegnahme, zumindest aber ein qualifiziertes Nötigungsmittel, also hier Gewalt gegen eine Person. Von Gewalt zB in Tauschbörsen zu reden ist natürlich absurd.
Aber es gibt ja noch den Begriff der Datenpiraterie, der auch nicht angemessener ist.
Der Vorschlag, den angeblich romantisierenden Begriff der Piraterie durch den der „Medienschändung“ zu ersetzen, ist allerdings die bisherige Spitze der StGB-unabhängigen Beschuldigungen, liegt er doch sehr nahe am Begriff der Kinderschändung und die allgemeine Ächtung dieser soll auf die „Kulturverbreiter“ (bewusster Euphemismus) abstrahlen.

Begriffsklauberei führt doch nicht weiter. Ob mann es nun Diebstahl, Betrug, Kapern, Leistungserschleichung oder Zechprellerei nennt, ist doch piepegal. Natürlich kann man Dienstleistungen schlecht „rauben“, aber man sich den Nutzen aneigenen, ohne den verlangten Preis zahlen zu wollen. Insofern ist das Gerede von „der falschen Rede“ wenig hilfreich. Es bleibt das strukturelle Problem: Wie wird die Arbeit bezahlt, die sich Musiker, Schriftsteller oder Journalisten machen? Der Begriff „geistiges Eigentum“ spielt dabei eine viel geringere Rolle, als die meinen, die ihre Kaperfahrten durch heldenmutige Abschaffung des Geitsigen Eigentums legitimieren. Es geht um Lohn für Arbeit. Und das ist der Punkt, wo die Piraten stets keine andere Auskunft haben als den Ratschlag, doch einfach im Internet um Spenden zu betteln.

@GrandCru: Um die Frage zu beantworten, wie die Arbeit von Musikern, Schriftstellern und Journalisten bezahlt werden kann, ist es bedeutsam, die Begriff klar zu kriegen. Deshalb halte ich den Ansatz in dem verlinkten Text für höchst spannend

Um die Frage zu beantworten, wie die Arbeit von Musikern, Schriftstellern und Journalisten bezahlt werden kann: „Geistige Inhalte sind öffentliche Güter“ – und ihr „Wert“ ist schwer bestimmbar, ergo: Öffentliche Güter gehören pauschal öffentlich bezahlt. Mit anderen Worten: Kulturelle Produktion ist ein weiterer Grund für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

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