Diebstahl geistigen Eigentums

Unter dem sprachlich etwas eigenartig eingeleiteten Titel „Diebstahl geistigen Eigentums im Netz: 5 vor 12 für die Kreativwirtschaft“ lädt die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am Montag zu einer Pressekonferenz. Diese Veranstaltung wird gemeinsam mit den „Spitzenorganisationen der Buch-, Film-, Musik- und TV-Branche“ abgehalten – so beschreibt es die oben verlinkte Einladung vom Bundesverband Musikindustrie. Auf der verdi-Webseite findet man keinen Hinweis auf die Veranstaltung.

Die Koalition der größten deutschen Gewerkschaft mit den Lobby-Verbänden der so genannten Kreativwirtschaft sorgt im Netz für Unverständnis. Philipp Otto hat deshalb einen Offenen Brief an Frank Werneke geschrieben, in dem er fragt:

Wie kommt man als Gewerkschaft im Jahr 2010 dazu, die propagandistische Aussage vom “Diebstahl geistigen Eigentums im Netz” als Titel für seine Pressekonferenz zu wählen? Wer hat hier wem was in die Blöcke diktiert? Denkt ver.di ernsthaft, alles sei so einfach und man könne mal draufhauen und schauen was dabei rauskommt? Wie muss das Urheberrecht aus Sicht von ver.di ausgestaltet sein, dass sowohl die Urheber als auch die Nutzer zu ihrem Recht kommen?

John F. Nebel geht noch einen Schritt weiter und erklärt seinen Austritt auf der Gewerkschaft – mit der Begründung:

Ihre neuen Bündnispartner wollen das Internet zu einem Platz machen, in dem Freiheit nichts mehr zählt. Ihre neuen Bündnispartner sprechen sich nicht nur für Internetsperren bei Copyrightverstößen aus, sondern fordern ein Strafsystem, bei dem Urheberrechtsverletzer schrittweise aus der digitalen Welt ausgeschlossen werden. Man kann das digitale Todesstrafe nennen, 3-Strikes oder euphemistisch „abgestufte Erwiderung“. Ihre neuen Bündnispartner befördern eine weitere Kontrolle des Netzes, sie befürworten Deep Packet Inspection und nehmen in Kauf, dass die Errungenschaften des Internets, wie freie Kommunikation und eine Kultur des kreativen Austausches, der Zusammenarbeit und Kooperation für schnöde Konzerngewinne geopfert werden.

Und Markus Beckedahl kommt auf netzpolitik.org zum dem Schluss:

ver.di hat eine Werbekampagne gestartet, um sich bei Internet-Nutzer nachhaltig unbeliebt zu machen

Dass man sich auch anders mit dem ja in der Tat bedeutsamen Thema Urheberrecht im digitalen Zeitalter befassen kann, zeigt übrigens aktuell die Böll-Stiftung. In der vergangenen Woche ist der lesenswerte Reader Copy.Right.Now! Plädoyer für ein zukunftstaugliches Urheberrecht erschienen. Darin sind zahlreiche gute Ansätze zu der Frage zu finden, wie man auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagiert, ohne die Grundlagen der freien Gesellschaft in Zweifel zu ziehen. Und außerdem weiß man nach der Lektürer des Buches auch, warum die Rede vom Diebstahl nicht zielführend ist.

Mehr zum Thema auch im Blog Digitale Linke