Das Internet als Sandkasten

Warum sollte ich entsetzt sein? Entsetzt bin ich in der Regel lediglich über unvorhersehbare Ereignisse. Das Treiben hier erinnert mich eher an einen oberflächlichen Hollywood-Film. Das sind diese langweiligen Streifen, bei denen man stets weiß, was als nächstes passiert. Dieser Blog hat für meine soziologische Studie über meinungsbildungsprozesse im Web 2.0 ebensowenig Überraschendes zu Tage gefördert als andere Foren. Es war aber gut, dass wir darüber diskutiert haben.

Mit diesen Worten hat Konstantin Neven DuMont im Blog von Stefan Niggemeier auf dessen Text Ein Sandkasten für Konstantin Neven DuMont reagiert. Darin hatte dieser Neven DuMoment ins Licht der Öffentlichkeit gestellt, weil jener „in den Kommentarspalten dieses Blogs“ lebe. Das findet Niggemeier „doch ein bisschen beunruhigend.“

Andere Kommentatoren pflichten ihm da bei („köstlich“, „geniale Auflistung“, „Volltreffer“) und machen sich über Neven DuMont lustig, der – so der Grundton – nötig hat, was sie selber auch tun: in einem Blog zu kommentieren.

Der Beitrag hat für einige Aufregung im Web gesorgt. Mir ist jedoch selbst nach abermaliger Lektüre unklar, was daran besonders sein soll. Ungewöhnlich finde ich vielmehr, dass der Betreiber des Blogs einen „seiner“ Kommentatoren derart ins Licht der Öffentlichkeit stellt.

Ohne den Inhalt der Kommentare bewerten zu wollen und auf den konkreten Fall einzugehen, finde ich dieses Vorgehen ein durchaus spannendes Phänomen. Es wirft die Frage auf: Sollte man als Betreiber einer Seite so mit Kommentatoren umgehen? Ist das der Weg, wie Kritik im Netz bearbeitet werden sollte? Ist es legitim, wenn der so Präsentierte prominent ist? Müssen andere Menschen, die in dem Blog kommentieren, damit rechnen, in Zukunft auch so platziert zu werden?

Ich halte die Frage, wie Journalisten und ihre Leser (im Web) miteinander kommunizieren für eine der bedeutsamen für den (Online-)Journalismus der Zukunft. Sie beruht nicht nur auf dem Unterschied Journalist und Leser, sondern auch auf dem Unterschied Betreiber und Kommentator. Der eine hat (rein technisch) mehr Möglichkeiten als der anderen – darf er sie so nutzen? Wie darf er sie einsetzen? Diese Fragen sind grundlegend für alles, was man unter Community Management zusammenfassen kann – und dafür sind der Beitrag und die Kommentare in jedem Fall ein spannendes Beispiel.

5 Kommentare

Guten Tag!

Die Fragen sind gut gestellt. Ich lerne seit Mai 2009 eine neue Zusatzqualifikation als Moderator der Kommentare.

Das heddesheimblog lässt grundsätzlich alle Kommentare zu, außer, sie verstoßen gegen unsere Regeln, beispielsweise sind Beleidigungen nicht erlaubt.

Ebenfalls nicht erlaubt ist Lobbyisten-Arbeit. Wir haben deshalb im September durch Recherche eine Kommentatorin „enttarnt“, die unter Pseudonym politischen Einfluss ausüben wollte.

http://heddesheimblog.de/2009/09/15/kommen-sie-aus-der-deckung-frau-kemmet/

Kommentatoren, die sich nur selbst darstellen wollen, werden von uns darauf hingewiesen, dass wir das nicht zulassen.

Als Betreiber haben wir mehr Möglichkeiten und die Fragen ist nicht, ob wir sie nutzen dürfen, sondern wir müssen sie nutzen. Transparent und konsequent.

Einen schönen Tag wünscht
Hardy Prothmann

Die Fragen sind gut gestellt, wenn es um den allgemeinen Umgang mit Kommentaren geht. Allerdings legt der Unterton nahe, dass im konkreten Fall Stefan Niggemeier zu scharf mit Herrn Neven Dumont umgegangen ist. Dazu zwei Bemerkungen:

1. Die Kommentare von Herrn Neven Dumont sind gespickt von einer Mischung aus unerträglicher Arroganz und überraschender Naivität. Der Sarkasmus von Stefan Niggemeier ist eine passende Antwort auf diese Mischung.

2. Herr Neven Dumon sollte in seinem Job wissen, was eine Veröffentlichung ist. Dazu gehört in Zeiten des Internets auch ein flapsig geposteter Kommentar. Wenn er das bislang nicht wusste, hat er es spätestens mit seinen „soziologischen Studien über Meinungsbildungsprozesse im Web 2.0“ gelernt.

Natürlich ist streitbar, ab wann ein Kommentar nicht legitim ist, dh welche Natur dafür angemessen erscheint. Die Regeln dafür erstellt der Blogger via Netiquette und Kommentarmoderation.

Das eigentlich schwierige ist für mich aber: Die Präsentation des Kommentators durch den Blogger. Sie findet auf einer anderen Ebene statt als der Kommentar, ist also dem eher persönlichem Kontext insofern enthoben, dass er nicht als Anmerkung/Hinweis an den einzelnen Kommentator dient, sondern als Spott zur Belustigung der Anderen. Und das ist Sandkastenniveau, auch von der Seite des Bloggers aus.

Kommunikation kann nicht von zwei verschiedenen Ebenen aus geführt werden.

Stichwort Gutsherrenmanier. Wo anders als in einem persönlichen Blog darf man so etwas noch erleben? Da sucht sich Herr Neven DuMont ein Forum aus, in dem auch was los ist, um seine mit Verlaub merkwürdigen Beiträge unterzubringen und auf seine themenfremden Jubiläumsreden und Interviews zu verlinken. In den User-Kommentaren starten wilde Diskussionen – nicht mehr zum ursprünglichen Blogeintrag, sondern nur noch zu Neven DuMont. Dass Neven DuMont das Niggemeier-Blog bewußt missbraucht, wird in dem Interview mit Georg Altrogge bei Meedia deutlich: „Außerdem schien mir da für meinen Zweck am meisten los zu sein. Ein gewisses Grundrauschen sollte in einem Blog schon vorhanden sein.“

Da muss man als Herr seines Blogs doch irgendwann reagieren, damit sein Blog nicht für irgendwelche „Zwecke“ mißbraucht wird – von mir aus auch in Gutsherrenmanier.

[…] Anfang des Jahres hatte ich über eine Auseinandersetzung zwischen Stefan Niggemeier und Konstantin Neven DuMont geschrieben: Damals ging es um den Text Ein Sandkasten für Konstantin Neven DuMont in Stefan Niggemeiers Weblog. Von dort erhalte ich seit ein paar Tagen immer wieder Besucher auf meiner Seite hier, weil ein Rücklink auf meinen Beitrag verweist. Aufgekommen ist das Thema weil Stefan Niggemeier unter dem Titel Eine systematische Störung der Verdacht geäußert hat, dass Neven Dumont in seinem Blog “unter einer Vielzahl wechselnder Pseudonyme eine dreistellige Zahl von teils irren Kommentaren” verfasst habe. […]

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