Turn the lights off, Say the word on beat, Six-Seven, Not Cute Anymore, Stitch (Netzkulturcharts Dezember 2025)

Was passiert in hochformatigen Videos im Internet? Die Antwort auf diese Frage bildet die Grundlage für viele Entwicklungen, die wir Netzkultur nennen. Die Aspekte der Netzkultur, die mir auffallen, bündele ich einmal im Monat in den Netzkulturcharts: Dabei interessiert mich vor allem die „digitale Volkskultur des Remix und Mashups“, die Felix Stalder in seinem Buch „Kultur der Digitalität“ beschreibt („Die Gemeinsamkeit mit der traditionellen Volkskultur, im Gesangsverein oder anderswo, liegt darin, dass Produktion und Rezeption, aber auch Reproduktion und Kreation weitgehend zusammenfallen.“), aber auch kurzfristige Trends, Runnings Gags und Memes finden hier Erwähnung.

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Platz 1: Jon Hamm & Turn the light off

Die Original-Szene stammt aus der AppleTV-Serie „Your Friends and Neighbors“ (achte Episode, erste Staffel) und zeigt die Hauptfigur Andrew „Coop“ Cooper – beim Tanzen in einem Nachtclub. Gespielt wird Coop von Jon Hamm (u.a. bekannt aus Mad Men). Seit März 2025 war die Szene zu sehen und erst zum Ende des Jahres wurde sie zur Kopier- und Adaptionsvorlage (hier z.B. eine Kunst-Adaption)

Menschen nutzten den selbstvergessenen Tanz von Jon Hamm als Reaktion für eigene Erlebnisse. Stets mit einem Übergang von ihrem eigenen Gesicht auf den Kopf des Schauspielers, der mit geschlossenen Augen tanzt.

Wie das Meme funktioniert, kann man übrigens sehr schön auf dem Account des dänischen DJ Kato sehen – von ihm stammt nämlich der Song „Turn the lights off“, der das Meme untermalt – und seinen 20 Jahre alten Song an die Spitze der Charts gebracht hat.

Platz 2: Stitch-Videos

Schon klar: auf andere Videos mit einem eigenen Clip zu reagieren, ist nicht neu (die Netzkulturcharts haben sich schon im Frühjahr 2024 mit dem Thema befasst – u.a. auch mit Robert Lindemann)

Wie Timklaertauf und Robert Lindemann aber stitchen, verdient eine Auszeichnung. Beide Accounts verbindet der Gedanke mit Aufklärung gegen Quatsch im Internet vorzugehen – und beide wählen unterschiedliche Wege. Während Timklaertauf (hier zum Thema Impfen) vor allem durch sein ausdrucksloses Gesicht und anschließende Fakten besticht (sic!), schafft Robert Lindemann vermeintliche Gesprächssituationen, die die Absurditäten der Ursprungsclips offenlegen – hier zum Beispiel als Dialog-Stitch-Reaction zu Oliver Pocher.

Dass das Phänomen Stitch-Videos ein neues Level erreicht hat, kann man übrigens auch an Clips erkennen, die nur noch so tun als seien sie gestitcht. Hier am Beispiel eines Berliner Restaurants. Das Prinzip dabei: Es sieht nur so aus als sei die sprechende Person später ins Bild montiert worden – in Wahrheit sitzt sie aber einfach in der Ecke.

Platz 3: Say the word on beat

Die Begriffe Bahn, Hahn und Zahn schnell hintereinander zu sagen – je nach dem, welche Symbol auftaucht? Das klingt zunächst albern, kann aber großen Spaß machen. Es ist das erste Beispiel, wenn du auf YouTube nach deutschen Beispielen für „Say the word on beat“ suchst.

Ursprung der Challenge ist angeblich dieses Tiktok-Videos aus dem September 2025. Gepostet wurde es vom Account Robgongfriend, der auch als Quelle für den Trend geführt wird – auf der Seite saythewordonbeat.com kann man das jedenfalls so nachlesen. Dort wird der Trend als „Moo Ma Ga Gai“-Rhythmus-Spiel beschrieben und über den zugrunde liegende Sound heißt es: „Die Hintergrundmusik in den Say the Word on Beat-Videos ist kein herkömmlicher Song, den man auf Spotify oder in den Musikcharts findet. Es handelt sich um einen rhythmischen Gesang, der speziell für Rhythmusspiele entwickelt wurde. Betrachten Sie ihn als ein stimmliches Metronom mit Persönlichkeit – er gibt den Takt vor und hält die Spieler im Tempo. Dies ist ein wesentlicher Grund, warum die Herausforderung so gut funktioniert. Der Sprechgesang ist einfach, repetitiv und unglaublich eingängig. Sobald man ihn ein paar Mal gehört hat, bleibt er im Kopf hängen – und genau das ist der Sinn der Sache!“

Platz 4: Not cute anymore (Der laufende Zwerg)

Der Song heißt „Not cute anymore“ und läuft (als Sped-Up-Version) seit Tagen zu Videos, die einem immer gleichen Muster folgen: Zu sehen ist eine Person mit Mütze oder Hoodie, die von oben gefilmt wird. Jemand greift an die Mütze und scheint die Person anzuheben. Im nächsten Schritt bewegt die Person ihre Arme und ein Bein sehr schnell – was dann mit Video so aussieht als würde sie sehr schnell und sehr cute laufen.

Das Besondere an diesem Trend: Nicht mehr nur die ursprünglichen Meme-Clips erhalten Aufmerksamkeit, sondern auch jene, die erklären, wie man den Trend nachmachen kann.

Platz 5: Wegen Jahresrückblicken – nochmal 6’7

Die französische Medienwissenschaftlerin Lucie Chateau sagt im Gespräch mit der SZ: „Dieses Interview dürfte der letzte Sargnagel für Six-Seven sein.“ Gemeint ist das Interview, das sie zum Thema Six-Seven-Meme gibt – und damit die Distinktions-Kraft des Memes bricht oder zumindest glaubt, sie zu brechen.

In den Netzkulturcharts war das Meme im September Thema – und ist hier nochmal nachzulesen.


Ungebetene Ohrwürmer* des Monats

1. Kato feat Jon: Turn the Lights Off

2. ILLIT: „Not Cute Anymore“

3. Pink Pantheress: „Illegal“

4. Melly Mike: „Young Black & Rich“

5. Kendrick Lamar: Peeckaboo

* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.


Besondere Erwähnung

Der offen-und-ehrlich-Account von Funk verdient eine besondere Erwähnung. Hier erklärt er die Inszenierung hinter der Freuvember-Kampagne von Ikea.

Ich mag wie der Instagram-Account des Bundespräsidenten den Umzug aus Bellevue vorbereitet und begleitet. Gerade sucht Frank-Walter Steinmeier Deckel seiner Zuckerdosen.

Sehr schöne Meme-Kopien gibt es hier.

Der Account Marclhk verdient eine Erwähnung – der Schalke-Brüller ist echt lustig.

Witze über KI-Fehler sind ebenfalls lustig.


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