Besonderheiten des memetischen Schreibens

Vergangene Woche durfte ich an der Univesität Hildesheim ein Blockseminar über Memes geben. Dabei ging es um das Lesen, Analysieren, aber vor allem ums Schreiben von Memes. Ich habe dazu unlängst hier den Begriff Meme-Literacy verwendet.

Die Studierenden haben dabei so genannte Meme-Patenschaften übernommen, also Motive, deren Herkunft und Entwicklung und Rezeption vorgestellt und selbst Beispiele produziert. Dieses memetische Schreiben war mir besonders wichtig und hat das obige Motiv zu Tage gefördert (Hintergrund zum Dreiköpfigen Drachen beim kommemetare). Parallel haben wir gemeinsam eine (unvollständige) Liste von Besonderheiten des memetischen Schreibens erstellt, also von Eigenschaften, die Memes ausmachen bzw. die das Erstellen von Memes begünstigen. Ich dokumentiere diese Liste hier mit großem Dank an die Studierenden – als Gedankenstütze für weitere Forschung zur Meme Literacy:

Memes als humoristische Schreibpraxis zeichnen sich dadurch aus, dass sie…

… einen Kontext-Bruch vollziehen

… Referenz-Kenntnis benötigen und im Wieder-Erkennen Zugehörigkeit erzeugen

… auf diese Weise Identität/Identifizierung schaffen

… in einer Uneigentlichkeit und in Metaphern erzählen, gleichzeitig aber

… durch object labeling Deutlichkeit erzeugen

… mit der klassischen Vorstellung von Autor:innenschaft  bzw. Absender:in-Autorität spielen

… als Fortschreibung von Fan-Fiction gelesen werden können

… Reflektion/Selbst-Humor benötigen bzw. zeigen

… durch die Möglichkeit der Interaktion Identifikation befördern (selbst wenn das Publikum nicht wirklich aktiv wird)

… selten einen singulären Startpunkt haben

… kaum vorhersagbar sind

… mindestens starke Muster, nicht selten aber auch Klischees reproduzieren

… nicht selten wiederkehrende Codes oder eine eigene Sprache nutzen und u.a. dadurch

… Distinktion befördern zwischen jenen, die verstehen und jenen, die staunen

… Aufgaben klassischer Karikaturen zeitgemäß erfüllen

… manchmal Folgen außerhalb des Netzes auslösen

… nicht selten ihre eigenen Folgen fortschreiben

… Viralität als Aufmerksamkeitsbegründung nutzen

… Popularität in Nischen bedienen

… Teilhabe und Anschlussfähigkeit schaffen, in dem sie Gesprächsanlässe liefern

… wie ein runnig gag oder ein geflügeltes Wort funktionieren

… wiederverwendbar sind dadurch stets

… provisorisch wirken

… stark am Zeit- und Rezeptions-Kontext hängen

Mehr über Meme

In dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ habe ich eine kleine grundlegende Einführung in das Thema versucht. Im Rahmen des Essays „Die Glut-Theorie der öffentlichen Debatte“ im Deutschlandfunk habe ich diese Grundlagen auf memetische Muster der politischen Auseinandersetzung übertragen. Für die Sprechstunde-Kolumne des Goethe-Instituts habe ich in sechs Folgen versucht, Schlüsse daraus für unsere Sprache und die memetische Grammatik zu ziehen. Und in der regelmäßigen Rubrik „Netzkulturcharts“ meines monatlichen Newsletters versuche ich den Überblick über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet nicht zu verlieren.