„Manche Dinge wirken größer, wenn sie kleiner werden“ – Denise Stock über Elopements

Das Thema Aufmeksamkeit beschäftigt mich nicht erst seit „Wesentlich weniger„. Es ist ein durchgängiges Thema hier im Blog. Deshalb wurde ich sofort aufmerksam (sic!) als ich unlängst Denise Stock kennenlernte, die Hochzeiten ohne die Aufmerksamkeit anderer anbietet: Elopement kommt vom englischen Begriff Durchbrennen und beschreibt die Eheschließung nur zu zweit. Ich habe ihr dazu ein paar Fragen gestellt. Ihre Antworten sind auch interessant wenn du keine Eheschließung planst. (Foto oben: Unsplash, Foto unten: Screenshot twoheartsandco)

Denise, ich möchte mir dir über „Gesehen werden“ sprechen. Ich glaube nämlich, dass die Aufmerksamkeit der anderen etwas mit uns macht und auch unsere Wahrnehmung von Öffentlichkeit beeinflusst – digital wie analog. Du machst etwas, was auf dem Gegenteil von Gesehen werden basiert. Kannst Du mal erklären, was Ihr anbietet?
Wenn wir über Gesehen werden sprechen, dann geht es bei Elopements um eine ganz andere Art von Sichtbarkeit. Viele Paare entscheiden sich bewusst dafür, ihren Hochzeitstag nicht nach außen zu richten, sondern nach innen. Sie schenken sich einen Moment, der nur ihnen gehört – ein intimer Austausch, der meist unter vier Augen passiert.

Dort entsteht etwas Besonderes: Tiefe. Vertrauen. Verbindung. Ohne Publikum verschiebt sich der Fokus automatisch. Man zeigt sich nicht für andere, sondern für den Menschen, der einem am nächsten steht. Das „Gesehen werden“ verändert sich – es wird echter. Es definiert, wer wir als Paar sind, und schafft eine Basis, die über Jahre trägt.

Bei großen Feiern geht es oft stärker darum, wie etwas wirkt und welche Rolle man in der Öffentlichkeit einnimmt. Bei Elopements dagegen entsteht ein Raum, in dem Paare das feiern, was wirklich zählt: sich selbst, ihre Geschichte, ihre Beziehung – losgelöst davon, wie andere sie sehen.

Genau diesen Rahmen bieten wir an: Einen Tag, an dem zwei Menschen sich selbst in den Mittelpunkt stellen dürfen. Klar, ruhig, ehrlich.

Wie bist du auf das Thema gekommen?
Ich bin tatsächlich durch Zufall auf das Thema gestoßen. Ich habe damals zur richtigen Zeit auf die richtige Anfrage „Ja“ gesagt – ohne wirklich zu wissen, wohin die Reise führt. Oder vielleicht doch?

Mit 40 habe ich mir die Frage gestellt, worin ich in den nächsten Jahren Expertin werden kann. Etwas, in dem mein Wert wächst. In meinem früheren Job als Art Direktorin war das Gegenteil der Fall: Je älter ich wurde, desto weniger wog meine Erfahrung. Und plötzlich stand die Antwort vor mir – eine Antwort, die mir eigentlich schon lange zugewunken hatte.

Ich fand die Energie auf Hochzeiten immer faszinierend. Ich habe große Feiern sehr gerne fotografiert: im Hintergrund, unauffällig und doch mitten im Geschehen. Dabei fiel mir immer wieder auf, dass die Gäste meist ausgelassen feiern – aber die Paare selbst oft wie in Trance durch den Tag gehen. Nicht richtig präsent, weil sie Gastgeber sind, weil sie Verantwortung tragen, weil sie funktionieren müssen.

Dann kam die erste Anfrage für eine Hochzeit zu zweit. Und als ich mit diesem Paar auf dem Berg stand – Wind in den Haaren, Stille, keine Ablenkung – wurde mir klar, was bei großen Hochzeiten oft fehlt: Zeit. Zeit füreinander. Zeit, in der beide wirklich ankommen.

Und noch etwas Entscheidendes: Bei unseren Elopements starten beide auf Augenhöhe. Niemand ist vorher in Stress, niemand trägt allein die Planungs-Last. In klassischen Hochzeiten liegt die organisatorische Verantwortung häufig bei der Frau, während der Mann nur punktuell eingebunden ist. Das schafft Ungleichgewicht – und das Gefühl, nicht gleichermaßen gesehen zu werden.

Auf dem Berg habe ich verstanden, wie wertvoll es ist, wenn beide denselben Raum bekommen, denselben Moment spüren, dieselbe Entspannung fühlen.

Seit diesem Tag war mir klar: Genau dabei möchte ich Paare unterstützen.

Ich kannte die Idee des Elopements vorher gar nicht. Finde faszinierend, wie du es bescheibst – und frage mich (und hiermit auch dich): lässt sich das auch auf andere Lebensbereiche übertragen?
Ich finde schon. Ein Bild begleitet mich dabei immer: Im Flugzeug wird man aufgefordert, zuerst sich selbst die Sauerstoffmaske aufzusetzen, bevor man anderen hilft. Wir sind es gewohnt, für alle da zu sein – im Alltag, im Job, in der Familie. Aber wir vergessen oft, zuerst auf uns selbst zu schauen, damit wir überhaupt die Kraft haben, für andere da zu sein.

Wer zu zweit heiratet, darf Entscheidungen wieder aus dem Bauch heraus treffen. Ohne Rücksicht darauf, was andere denken könnten. Ohne Erwartungsdruck. Nur mit der Frage: Was tut uns gut? Was wollen wir an diesem Tag wirklich für uns? Das passiert im Leben viel zu selten. Wir funktionieren, wir erfüllen Rollen, wir passen uns an. Elopements öffnen einen Raum, in dem man sich selbst wieder hört – und ernst nimmt.

Eine Braut hat mir nach der Geburt ihrer Tochter geschrieben und sich bedankt. Sie meinte, dass sie während der Schwangerschaft so viel entspannter war, weil sie seit ihrer Hochzeit viel stärker mit ihrem eigenen Bauchgefühl verbunden war. Sie hat sich erlaubt, das zu tun, was ihr gut tut – und nicht das, was andere von ihr erwartet hätten.

Genau darum geht es für mich: um einen Moment, der weit über den Hochzeitstag hinaus wirkt. Ein Tag, der Orientierung gibt. Ein Tag, der stärkt. Ein Tag, der daran erinnert, dass man sich selbst nicht verlieren darf.

Vor ein paar Jahren gab es mal ein Experiment, bei dem Bob Dylan ein Konzert für einen einzelnen Fan gespielt hat. Glaubst du die Idee des Elopements lässt sich auch auf Kultur übertragen?
Ich glaube, ja. Eines unserer größten Bedürfnisse als soziale Wesen ist connection. Kunst und Musik schaffen genau das – sie verbinden uns, manchmal mit vielen, manchmal nur mit einer einzigen Person. Es gibt Erlebnisse, die wir unbedingt teilen wollen, zum Beispiel die Energie eines großen Live-Konzerts. Und es gibt andere, die wir lieber ganz für uns genießen – eine Lieblingsplatte, ein gutes Buch, ein Moment, der nur uns gehört.

Hochzeiten waren lange primär soziale Ereignisse. Und für viele Menschen sollen sie das auch bleiben. Aber sie müssen es nicht mehr zwingend sein – nicht für diejenigen, die ihre Liebe und ihr Leben ruhiger und intimer feiern möchten.

Wir hatten schon öfter private Konzerte auf einem Berg als Highlight eines Elopements. Und die Magie, die dort entsteht… ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn ich dran denke. Der Klang eines Cellos, der sich mit Vogelgezwitscher mischt. Die Sonne, die genau im dem Moment hinter einer Wolke hervorkommt, bei einer Strophe von Fields of Gold. Diese Kombination aus Musik, Natur und Zweisamkeit erzeugt eine Intensität, die man kaum beschreiben kann.

Auch die Musiker spüren den Unterschied. Sie würden nicht auf große Konzerte verzichten wollen, aber die ungeteilte Aufmerksamkeit, die Nähe, die Verbindung durch ihre Kunst – das ist etwas, das bleibt.

Insofern: Ja. Die Idee des Elopements, dieses radikal intime Erleben, lässt sich durchaus auf Kultur übertragen. Manche Dinge wirken größer, wenn sie kleiner werden.


Mehr über Elopements auf der Webseite twoheartsandco.com mehr über das Thema Aufmerksamkeit hier im Blog: