Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletter
Auf Tiktok reposte ich übrigens Clips, die mir besonders auf- oder gefallen.
Auf Instagram komMEMEtiere ich dann und wann Aktuelles – und erzähle Hintergründe zu Memes.
Platz 1: Zah1de did it better
Es bleibt faszinierend, wie die Berliner Tänzerin Zah1de das Aufmerksamkeitsspiel auf Tiktok und Instagram dominiert. Ihr vierter Track „Zahide did it better“ ist „safe ein banger“. So jedenfalls rappt sie in dem Song, der seit Tagen als Ohrwurm und Remix-Vorlage durch Tiktok gereicht wird. Wie schon in den vorherigen Songs (siehe Charts im April) gelingt ihr eine Ansammlung an Anspielungen, die eigene Songs und Zitate referenziert und weiter dreht.
Das ist und will nicht mehr sein als guter Pop. Aber es ist eben auch genau das: gute Popkultur mit den Möglichkeiten des Netzes.
Mehr zu dem Thema auch im Kompressor Wochentalk auf Deutschlandfunk Kultur.
Platz 2: Baby-KI
Künstliche Intelligenz macht Dinge möglich, die niemand vermisst hat, die aber dennoch Spaß machen: Der Baby-KI-Trend ist so ein Beispiel: Podcasts, berühmte Film- oder TV-Szenen und Memes werden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz adaptiert und in Form von Babys nachgespielt.
Das Faszinierende daran: die Seite babypodcastoffical auf Tiktok zeigt nicht nur zahlreiche Beispiele für diesen KI-Kopier-Vorgang, sie hat vor allem ein Video prominent ganz oben angeheftet, das erklärt, wie alle dieses Spiel mitspielen können. Die Anleitung zum eigenen Babypodcast ist den Babypostcast-Machern augenscheinlich wichtiger als alle konkreten Beispiele.
Platz 3: „Das war aber anders verabredet, Leute“

In der Meme-Geschichte deutscher Kanzler hat der neue Regierungschef Friedrich Merz seinen Platz gefunden: Kohl war Birne, Scholz war spröde (mit Augenklappe) und Merz ist Stromberg. Spätestens seit die ZDF-Doku über die Union Einblick in das Verhalten des Sauerländers abseits der Bühne gab, ist für die Netzkultur klar, dass der fiktive Versicherungs-Experte Bernd Stromberg und der CDU-Bundeskanzler das gleiche Mindset teilen.
Besonders anschaulich lässt sich das am „Das war aber anders verabredet, Leute“-Trend illustrieren: dabei interagieren Nutzer:innen mit Satz, den Merz hinter den Kulissen des TV-Duells anklagend formulierte als er feststellte, dass sein Pult keine für ihn bequeme Höhe hatte. Sie spielen in anderen Kontexten die anklangende Haltung nach und lassen den Satz lippensynchron vom Kanzler sagen.
Platz 4: Swiss Underground
„Alphorn, Nashorn“ klingt es aus unzähligen Videos, die Prominente wie Dirk Nowitzky oder Lebron James zeigen, die nach ihrem Lieblings-Genre fragen. Darauf antworten diese vermeintlich „Swiss Underground“. Was folgt ist der „Alphorn, Nashorn“-Ohrwurm, dem die Pulsmusikanalyse hier nachspürt: Er stammt von Seppli MC. Ein an Moneyboy erinnernder Schweizer Rapper, der dem „Swiss Underground“-Meme den Soundtrack liefert. Sein Song Ueli Vuitton ist jedenfalls der Ursprung für den Sound, der dem Meme zugrunde liegt.
Platz 5: Politiker:innen auf Tiktok

Die Bundesbauministerin nutzt den „Propaganda I don’t fall for“-Trend (sie heißt Verena Hubertz und hat offenbar ein ziemlich versiertes Social-Media-Team), die Grünen-Parteichefin postet Kommentare in Meme-Form und die Linken-Politikerin Carmen Lay hat eine eigene Version der Bad Bunnies eingesprochen. Das sind nur die jüngsten Beispiele für einen deutlichen Trend: Spätestens seit der neuen Legislatur-Periode hat das politische Berlin netzkulturelle Referenzen entdeckt und setzt diese erstaunlich um.
Das zeigt eine bemerkenswerte Digitalisierung der Politik – mal schauen, wie Bernd Stromberg Friedrich Merz darauf reagieren wird.
Ungebetene Ohrwürmer* des Monats
1. Zah1de: „Zahide did it better“
2. Tommy Cash: „Espresso Macchiato„
3. Noah Kraus & Wir sind Helden: „Nur ein Wort“
4. Seppli MC: „Ueli Vuitton“
5. Kendrick Lamar: Peeckaboo
* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.
Besondere Erwähnung

Trump postet Fake-KI-Bilder? Marcus erklärt das Phänomen Synthetic Propaganda
Falls die Social-Media-Kolleg:innen dich auffordern, vor der Kamera in die Hände zu klatschen: Schau dir vorher den Clapprank an.
Der sehr gute Newsletter „Zwischen zwei und vier“ spürt dem Bad-Bunnies-Vibe nach und schreibt über die neue Fotzigkeit. Auch Deutschlandfunk-Kultur befasst sich damit.
Das „Was wird“-Meme wird fünf Jahre alt
Die Supermarkt-Videos von Askhay sind super.
Die Reaction-Videos von lute08 sind lustig.
Louis Klamroth hat den Yanick-Trend aufgegeriffen (siehe April-Charts)
Die brasilianische Nonne Marizele ist recht gut im Beatboxin – zumindest mag das Web ihre Skills.
Der Sound des „That was rude“-Memes stammt übrigens aus einem Broadway-Musical.
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