Gavin Newsom, Tiktok-Pro, erfundene Aufregung um Sweeney, Erzfeind, wer hat das gesagt?, Gen-Z-Stare und Taylor Swift, (Netzkulturcharts August 2025)

Was geht online? Die Netzkulturcharts sind meine völlig subjektive Antwort auf diese Frage. Ich liste darin Phänomeme auf, die ich inspirierend, interessant oder bemerkenswert finde. Sie sind regelmäßiger Bestandteil meines Digitale Notizen-Newsletter

Auf Tiktok reposte ich übrigens Clips, die mir besonders auf- oder gefallen.
Auf Instagram komMEMEtiere ich dann und wann Aktuelles – und erzähle Hintergründe zu Memes.


Platz 1: Gavin Newsoms Social-Media-Strategie

Er ist Gouverneur in Kalifornien und seit diesem Monat Donald Trumps wichtigster Gegenspieler: Gavin Newsom hat eine Social-Media-Strategie entwickelt, die man als Persiflage der Beiträge des US-Präsidenten interpretieren kann. Der Spiegel schreibt darüber: „Unzählige Comedians und Late-Night-Moderatoren haben das Genre der Trump-Parodie perfektioniert. Rasplig gepresste Stimme, Mund zur Schnute geformt, die Hände eng vor dem Brustkorb, und am Ende sagt man: »So sad!« Ein Spitzenpolitiker war allerdings bislang nicht unter den Parodisten. Bis Newsom, 57, vor einigen Tagen begann, in den sozialen Medien als eine Art Trump-von-links-Kunstfigur zu texten. So will er die vulgäre Kommunikationsart des Präsidenten ins Absurde ziehen – und sich als inoffizieller Oppositionsführer positionieren.“ Und kommt zu dem Schluss: das funktioniert.

In jedem Fall ist es sehr lustig – wie diese Tiktoks zeigen.

Platz 2: Erfundene Aufregung

Aufregung ist immer gut, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Das Widerspruchs-Prinzip funktioniert so gut, dass sogar die Behauptung von Aufregung Interesse weckt. Zu dem Ergebnis kommt eine Analyse der vermeintlich woken Aufregung zu einer Jeans-Werbekampagne mit Sydney Sweeney: „So zeigte die Analyse etwa, dass klassische Medien erst über das Thema berichteten, nachdem rechte Influencer, Moderatoren und Politiker begannen, von einer Welle der Empörung aufseiten der Progressiven zu sprechen. Tatsächlich gab es die zu dem Zeitpunkt gar nicht, sondern lediglich ein paar Tausend Beiträge, die Sydney Sweeney erwähnten.“

Platz 3: Gen-Z-Stare

Regungslos in die Kamera blicken und starren – glaubt man der New York Times ist das ein generationsbestimmender Gesichtsaussdruck, der sich vor allem im Online-Videos auf Social-Media-Plattformen zeigt.

Tiktoker:innen hatten Anfang des Sommer ihre Beobachtung geteilt, dass vor allem Menschen aus der Generation Z dieses Starren an den Tag legen und dem Blick den Titel „Gen-Z-Stare“ gegeben. Und spätestens seit die New York Times in einem ausführlichen Text das Phänomen beleuchtet hat, verdient es einen Platz in den Netzkulturcharts – hier z.B. in einem Reel der Washington Post erklärt.

Platz 4: Wer hat das gesagt?

Schon den ganzen Sommer über sehe ich auf Tiktok und Instagram Videos, in denen optisch nicht viel passiert, aber viel geredet wird. Meist ist die Hauptperson des Accounts von hinten oder hinter vorgehaltender Hand zu sehen. Der Sound dazu kommt von der sprechenden Person, die ihre eigene Rede mit dem gespielten Erstaunen beendet, das sich im Satz „Wer hat das gesagt?“ ausdrückt. Die Autowerkstatt Pitstop hat den Trend schon im Juli durchgespielt – wie auch die politischere Variante auf dem Account der Grünen Nyke Slawik. Trotzdem bleibt der Trend in diesem Sommer wichtig – und landet auf dem vierten Platz der August-Charts.

Platz 5: Der Erzfeind

Dass das Gegenteil Wirkung erzeugen kann, ist in diesen Charts (und z.B. hier) bereits angesprochen worden. Nach dem Gegenteil-Prinzip funktioniert auch der „Erzfeind-Trend“ bei dem Sightseeing- und andere Tipps in ihr Gegenteil verkehrt werden – hier am Beispiel der Hochschule München zu sehen, die erklärt, welche negativen Erlebnisse sie ihrem Erzfeind wünschen würde. Die Tatsache, dass der Trend bereits auf einem offiziellen Hochschule-Account zu finden ist, zeigt, dass er nicht mehr ganz frisch ist. Ich halte ihn aber dennoch für lustig – und erwähnenswert.


Ungebetene Ohrwürmer* des Monats

1. George Baker Select: Paloma Blanca

2. Jess Glynn: „Hold My Hand“

3. Pink Pantheress: „Illegal“

4. Melly Mike: „Young Black & Rich“

5. Kendrick Lamar: Peeckaboo

* in dem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“ nutze ich Ohrwürmer als Metapher um die Wirkung von Memes zu beschreiben. Deshalb ist es nur konsequent, sie nicht nur metaphorisch, sondern eins-zu-eins zu nehmen.


Besondere Erwähnung

In Deutschland gibt es seit kurzem das Angebot Tiktok-Pro – im Haken-dran-Podcast habe ich unter anderem darüber gesprochen.

Der Guardian erklärt die Hintergründe zu dem Foto, das Ray Giubilo bei den US Open in New York gemacht hat: „das halb erschreckende, halb erhabene Bild von Jasmine Paolini hatte mehr als nur einen Hauch von Glück in sich“

Die Mall of Berlin hat Meme-Star zu ihren Testimonials gemacht.

Skibidi ist jetzt im Lexikon.

In der Gen Z ist George W. Bush gerade übrigens sehr beliebt.

Der 16-jährige Mierza Firjatullah ist Stürmer in der U17-Fußballnationalmannschaft von Indonesien. Im August wurde er ein webweit bekannter Star weil er im Spiel gegen Tadschikistan nach einem Kopfball-Tor auf erstaunliche Weise jubelte: Er sprang im North Sumatra Stadion in Deliserdang über eine Absperrung und übersah, dass dahinter ein tiefer Graben war – in dem er landete. Nachdem man ihm aus dem Graben half, konnte er übrigens weiterspielen, wurde aber in der zweiten Halbzeit ausgewechselt. Das Spiel endete 2:2.

Das Instant-Meme des Monats lieferten Taylor Swift und ihre Verlobter Travis Kelce: innerhalb von wenigen Minuten wurde ihr Verlobungsbild memefiziert – und in neue Kontexte übertragen.

Im Mai hatte ich ihn schon mal wegen seiner Supermarkt-Videos gelobt: Noch viel besser sind allerdings die Stadtporträts, die Akshay auf seinem Accounts postet. Sehr treffend!


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