Opfer einer gewerblichen Urheberrechtsverletzung?

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Ich bin Opfer einer Urheberrechtsverletzung geworden – und zwar in einem gewerblichen Ausmaß. Jedenfalls kann man das so sehen. Ein Münchner Bekleidungsgeschäft nutzt in seiner Filiale in der Innenstadt (Bestlage Kaufinger Straße) mein geistiges Eigentum zur Umsatzsteigerung. Mir ist dieser Vorgang nur durch Zufall aufgefallen, als ich gestern durch die Münchner Fußgängerzone spazierte – ein Ort, von dem ich bisher dachte, er sei keinesfalls ein rechtsfreier Raum.

Ich passierte ein Schaufenster, das aus Dekorations- oder Umbauzwecken (das habe ich nicht genau erschließen können) auf seiner Rückseite mit Zeitungsseiten tapeziert ist. Dort findet sich auch eine Seite aus der Süddeutschen Zeitung – und zwar aus dem Januar 2009. Darauf ist (u.a.) mein Text Kontrolle ist schlechter zu sehen, in dem ich mich mit dem Thema Urheberrecht im Internet befasse (und der mir den beschimpfend gemeinten Titel Netzweltversteher einbrachte). Es muss also als besonders perfide bewertet werden, dass das Münchner Bekleidungsgeschäft ausgerechnet dieses geistige Eigentum unentgeltlich weiternutzt. Gleichzeitig werden sich die Verantwortlichen nicht auf Unwissenheit rausreden können, wenn sie Post von meinen Anwälten bekommen.

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Nein, bisher habe ich noch keinen Rechtsvertreter. Ich bin mir aber sicher, dafür leicht einen zu finden. Er oder sie würde vermutlich so argumentieren: Der Wert meines geistigen Eigentums wird durch diese ungenehmigte Nutzung eingeschränkt. Der Absatz an Zeitungen wird durch diese Veröffentlichung geschmälert und zudem findet die Verbreitung in einem kommerziellen Rahmen (Schaufenster!) statt – und zwar im Kontext mit zahlreichen weiteren Zeitungsseiten. Man muss dem Urheberrechtsbrecher also durchaus ein gewerbliches Ausmaß unterstellen.

So jedenfalls wird derzeit bei ähnlichen Fällen im Internet argumentiert.

In der realen Welt (vulgo: Fußgängerzone) ist es an der Tagesordnung, dass Menschen Zeitungen weiternutzen. Sie basteln sich Hüte, wickeln Fische oder Blumen darin ein oder tapezieren ihre Wände damit, wenn sie renovieren. Ich finde das gut. Ich werde ganz sicher keinen Rechtsanwalt mit diesem Fall betreuen. Im Gegenteil: Ich würde mir wünschen, dass wir diese Offline-Selbstverständlichkeiten auch im vermeintlich rechtsfreien Raum des Internet anerkennen – und Möglichkeiten der angemessenen Nutzung schaffen.

Aber das Internet ist ja keine Fußgängerzone …

P.S.: Bei Malte Welding gibt es heute übrigens einen sehr interessanten Text, der sich mit einer ähnlichen Frage befasst, den Wohnzimmerschrank des Vaters eines Klassenkameraden (in dem dieser VHS-Kopien aufbewahrte) mit dem Netz vergleicht und zu dem Schluss kommt:

Und wo ist nun der Unterschied zwischen dem Schrank und der Facebookseite? Der Unterschied ist, dass unterdessen alle verrückt geworden sind.

12 Kommentare

Dirk von Gehlen ahnte damals noch nicht, dass flüchtige Leser seinen Blogeintrag Jahre später als Geburtsstunde der „VG Schaufenster“ ansehen würden.

Rechtsfreie Räume — wohin man sieht! Ist es den Gastronomen wirklich erlaubt, die SZ und andere urheberrechtlich geschützte Publikationen den Gästen kostenfrei zur Verfügung zu stellen?

Diese „Kaffeehaus-Leser-Piraterie“ muss gestoppt werden; die Verlage sollten am Verzehrumsatz beteiligt werden. ;-)

„Der Absatz an Zeitungen wird durch diese Veröffentlichung geschmälert […]“ War der Artikel denn so schlecht? ;)

Jetzt mal ernsthaft: Wie kann denn der Absatz einer Zeitungsausgabe geschmälert werden, die vor gut sieben Monate veröffentlicht wurde und nicht mehr erhältlich ist?

Natürlich nutzen wegen dieses Urheberrechtsbruchs weniger Menschen das kostenpflichtige Archiv der Süddeutschen Zeitung, Malte.

Es ging doch um die Parallele …

Eigentlich sollte man das mal echt vor Gericht bringen. Mal sehen wie groß die Empörung ist die sich über das wohl des kleinen armen Ladenbesitzer sorgen, der ja aufgrund der hohen Forderungen vor dem aus steht und seine Mitarbeiter entlassen kann. Sind dann sicher die gleichen die jetzt auf die Internetnutzer einschlagen und sagen alles böse.

Das ist halt der Unterschied zwischen Internet und realer Welt. Im Internet herscht ein Klima der Angst. Da würde man sich gar nicht trauen sein Myspace Profil mit Screenshots einer Zeitung zu dekorieren. Im realen rechtsfreien Raum stört das keine Sau.

Och nee, Herr von Gehlen, durch diese Nutzung bekommt Ihr Werk erst den Wert, den es verdeint.

Das ist ja wie unter der Dusche bei offenem Fenster singen! Also die unberechtigte Aufführung von copyrightgeschütztem Material. Nieder mit denen!

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