Netflix, Sky, House of Cards und die Bedeutung von Gifs



Es ist ein einfacher Link auf eine Twitter-Konversation aus Anlass des Starts der vierten Staffel von House of Cards. Und doch steckt in diesem Tweet des deutschen Netflix-Accounts und der Antwort von Sky-Deutschland so viel Digitalisierung, dass es sich lohnt kurz innen- und festzuhalten, was gerade passiert (und nicht nur, weil dafür die von mir sehr geschätzten animierten Gifs zum Einsatz kommen)

Darum gehts: Die äußerst populäre Serie „House of Cards“ ist eine Netflix-Eigenproduktion, die in Deutschland allerdings nicht bei Netflix zu sehen ist, sondern bei Sky. Der große amerikanische Streaming-Dienst verkaufte zum Start der Serie vor vier Jahren die Rechte für den deutschen Markt an Sky – vermutlich weil man annahm, mehr Geld einzunehmen als wenn man die Serie auch den deutschen Zuschauern selber zugänglich macht. Diese Rechte-Thematik bekam größere Aufmerksamkeit, weil Netflix zur Durchsetzung dieser Länderrechte einen Umweg zu schließen vorgibt, über den deutsche Netflix-Nutzer die Serie bisher dennoch auf Netflix gucken konnten. Alle Hintergründe zur VPN-Sperre hier.

Das lernen wir:


1. Netflix-Deutschland kommunziert die Schwäche seines eigenen Angebots auf ein offene und sympathische Art und Weise. Der Tweet mit dem animierten Gif sagt indirekt: „Sorry liebe Kunden wir haben vor vier Jahren einen Fehler gemacht, würden wir heute nicht wieder so machen. Bleibt uns trotzdem treu.Dieser Tweet widerspricht in ALLEM der Verschweige-Kultur klassischer Öffentlichkeitsarbeit, die darauf ausgerichtet ist, Fehler zu verschweigentuschen als sie zuzugeben. Netflix macht es trotzdem.


2. Bei Sky freut man sich offenbar so sehr darüber, dass man das Produkt „House of Cards“ im Angebot hat, dass man aus lauter Überheblichkeit all das falsch macht, was Netflix richtig macht: wieder ein einfaches Gif, allerdings gedankenlos gepostet. Frank Underwood schlägt die Tür zu – dem Kunden vor der Nase. Das ganze ist als Antwort an Netflix gedacht, muss aber (auch) als Botschaft an den Zuschauer verstanden werden. Indirekt sagt dieses Gif: „Du kommst hier nicht rein. Diese Tür ist zu.“ Dabei müsste doch das Gegenteil im Interesse von Sky sein: diejenigen Netflix-Kunden zu gewinnen, die gerade nicht gucken können.

3. Nun kann man sagen „Also bitte, das ist doch wohl egal! Sky wirbt all überall damit, dass sie „House of Cards“ im Angebot haben. Da sollte man einen einfachen Tweet doch bitte nicht überbewerten.“ Das glaube ich gerade nicht. Die Bedeutung von Gifs (und von Social-Media-Kommunikation in Gänze) steckt ja genau in dieser Beiläufigkeit, die riesige Bedeutung erlangen kann: Eine zugeschlagene Tür ist für mich wichtiger als zahlreiche Plakate, ein eingestandener Fehler ist sympathischer als das Vertuschen.

4. Das ganze Thema ist aber noch aus einem anderen Grund sehr lehrreich, denn die VPN- und Ländersperren-Debatte hat eine Auseinandersetzung überlagert, die noch vor wenigen Jahren mit erstaunlicher Inbrunst geführt wurde: jene über Urheberrechtsverletzungen! Die Älteren werden sich erinnern: es ist nicht lange her, da wurde im Zusammenhang mit amerikanischen Serien vor allem darüber gesprochen, dass die bösen Nutzer alles umsonst gucken wollen. Dass eine schlimme Generation heranwächst, die mindestens für das Ende der Kultur verantwortlich zu machen ist – und der mit aller gebotenen Härte das Internet abgeschaltet werden muss. Aus heutiger Sicht wirkt diese Debatte unfassbar, denn aktuell diskutieren Mitglieder genau dieser verkommenen Generation die Frage, welchen VPN-Anbieter sie bezahlen sollen, um im Angebot von Netflix (das sie ebenfalls bezahlen) die Serie gucken zu können, die sie mögen.

5. Es ist also keinesfalls der Verkommenheit der Internet-Nutzer oder gar der digitalen Kopie an sich anzulasten, dass Anbieter Probleme mit der Distribution ihrer Inhalte haben. Es liegt vielleicht eher daran, dass diese lieber ihren potenziellen Kunden die Tür vor der Nase zuschlagen, als deren erkennbares Interesse aufzunehmen. Kevin Spacey sagt zum Abschluss des fiktiven Werbespots für seinen Seriecharakter Frank Underwood. „Man sagt: Wir kriegen die politischen Führer, die wir verdienen. Ich glaube: Amerika verdient Frank Underwood.“ Bleibt die Frage: Wer verdient eigentlich welche Kunden?

mm-s1-facebook-timeline-nologo-850Weiterlesen: Lena Jakat auf jetzt.de zur Bedeutung der Serie, Juliane Leopold auf Kleiner3 „Warum ich heute zum Zombie werde“ und Sara Weber zur VPN-Thematik bei der SZ und auf den Digitalen Notizen, dieser Beitrag über eine ähnliche Situation zum Start der sechsten Staffel von Mad Men

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