Am Umgang mit Musik lässt sich viel über den Zustand der Digitalisierung ablesen. Schon in der ersten Welle der Digitalisierung rückten MP3-Files und Peer2Peer-Netzwerke als erstes in den Blickpunkt. Wer heute den Umgang mit Musik beobachtet, bemerkt nicht nur wachsende Kritik an Streaming-Plattformen (dazu und überhaupt zu Musik Zwischen2und4), sondern auch eine Veränderung in der Nutzung von Social-Media (Peak Social auf SMW). Anfangs war die Möglichkeit, Songs auf MySpace einzubinden und die Präsenz von Bands ein wichtiger Treiber für Plattformen. Heute sehe ich in meinem Umfeld viele Musiker:innen und Bands, die sich aus Social zurückziehen – oder zumindest sehr aktiv Alternativen aufbauen.
Schon im Sommer habe ich mit großem Interesse beobachtet, wie Konstantin Gramalla für seine Musiker-Identität Grämsn einen eigenen Club aufgebaut hat – nicht als physischen Ort, sondern als virtuelle Community auf grämsn.de. Ich habe ihm dazu ein paar Fragen gestellt.

Ich habe in den vergangenen Wochen zahlreiche Newsletter von Musikern und Bands bestellt. Täuscht mein Eindruck oder entdecken Musiker gerade Newsletter?
Dein Eindruck täuscht dich tatsächlich nicht, das hat in den letzten Monaten definitiv Fahrt aufgenommen. Das betrifft wahrscheinlich auch nicht nur Musiker*innen, sondern ich würde mal behaupten, sämtliche Kunstrichtungen. Denn wer sich ein bisschen mit Promotion-Möglichkeiten beschäftigt, der bekommt immer wieder zu hören oder zu lesen, dass eigene Websiten und Newsletter lange Zeit vernachlässigt wurden und es wird ziemlich oft dazu geraten, dieses Tool wieder einzusetzen und zu pflegen. Bei mir persönlich war es zum einen die immer größer werdende Frustration mit Social Media allgemein, zum anderen die Wiederwahl von Trump und das Verhalten der Tech-Giganten wie Meta seitdem der letzte Schubser, den es gebraucht hat, um eine Website samt Newsletter zu starten.
Bei dir geht es aber nicht nur um einen Newsletter, du hast eine eigene Community gestartet. Kann man das so sagen?
Es ist zumindest der Versuch, ja. Ich wollte tatsächlich etwas probieren, was über einen Newsletter hinausgeht, zumindest was das Gefühl für mich und evtl. auch für die Freunde und Fans angeht. Deswegen habe ich es nach paar Tagen Überlegen und Probieren den „Grämsn Club“ genannt. Auf meiner Website gibt es Basic-Infos über mich, einen Link zu Platten und Merch und die nächsten Live-Termine und das obligatorische Kontakt-Formular. Gleichzeitig gibt es aber eben noch den Club-Bereich, für den Du dich kostenlos anmelden kannst – aber eben auch aktiv entscheidest. In diesem Club tob ich mich gerade aus und probiere in einem Blog verschiedene Formate, außerdem gibt es auch exklusive Releases. Der Newsletter ist quasi die Verlängerung des Clubs, damit auch alle Mitglieder hin und wieder das Update bekommen, was es dort Neues gibt
Kann man sagen: dir sind wenige echte Fans lieber als die (behauptete) große Reichweite sozialer Netzwerke?
Es hat ein paar Jahre gedauert, aber mittlerweile ist das definitiv so, ja. Dazu muss ich allerdings eine Sache erwähnen: Ich mache Musik quasi als Nebenjob, manche würden vielleicht auch sagen, als ambitioniertes Hobby. Was nicht heißt, dass ich es weniger ernst nehme – aber ich bin nicht auf die Einnahmen daraus angewiesen, das ist ein wichtiges Detail. Deswegen kann ich es mir auch leisten, ggf. auf Reichweite zu verzichten und einen Schritt zurück zu gehen. Ich habe einige Kolleg*innen, die diesen Luxus nicht haben, es aber gerne tun würden.
Aber wie anfangs schon gesagt, ja, mir ist es mittlerweile definitiv lieber, ich habe einen kleinen Kreis, den ich auch wirklich erreiche, als die behauptete Reichweite auf Instagram, Facebook und Co. Meine Follower auf Instagram bspw. sind seit ein paar Jahren stabil über 1.500 (momentan bei ca. 1.700). Das ist in Social Media-Zahlen gerechnet wahnsinnig klein, aber wenn ich mir vorstelle, ich würde jeden dieser Follower wirklich erreichen und die Hälfte davon würde meine Posts und Links sehen und anklicken, dann wäre das ja völlig ok und damit könnte ich leben.
De facto ist es aber so, dass ich seit ein paar Jahren sehe und merke, dass ich durch organische Posts und Stories immer nur die gleichen 100 bis 150 Leute erreiche. Klar, man probiert mal eine bezahlte Kampagne, sponsort einen Post oder Link, aber weil wir ja alle nicht so wirklich kapieren, was wir da eigentlich machen, läuft das auch ins Leere. Ich erreiche also lediglich 10 % meiner Follower und somit hab ich über die Jahre das Vertrauen in die Plattformen verloren und ehrlich gesagt auch keine Lust, als Content Creator für Instagram zu arbeiten. Ich habe jede Woche ein paar Stunden Zeit für Musik, davon will ich nicht auch noch Zeit abgeben, um mir zu überlegen, was ich auf Instagram probieren könnte, um mehr Fans und Follower zu generieren.
Als ich dann im Sommer den Club und Newsletter gestartet habe, hat sich plötzlich dann auch das Gefühl wieder eingestellt, dass ich früher hatte: Ich war richtig aufgeregt und hatte Bock, für diesen Kreis etwas zu erschaffen. So nach dem Motto: Jetzt sind die Leute da, jetzt muss ich auch was liefern. Aber absolut nicht negativ gemeint, sondern eher wieder mit einem neuen Sinn dahinter aufgeladen. Ich hab bspw. auf das etwas ausführlichere Mission Statement, wieso ich diesen Club nun starte, auch wahnsinnig viel positives Feedback bekommen, die Leute haben das verstanden und absolut nachvollziehen können. Deswegen bin ich auch so stolz auf diesen – zugegebenermaßen noch kleinen – Kreis.
Ich finde die Idee äußerst sympathisch. Sie erinnert mich an Kevin Kellys 1000 True Fans und sie beschreibt ein Gefühl, das ja auch Nutzerinnen und Nutzer der Plattformen kennen. Als ich deinen Club sah, hab ich mich gefragt: Wie sollte ich mich eigentlich als Fan einer Band verhalten? Ist es z.B. für Euch als Musiker überhaupt okay, wenn wir Musik auf Spotify streamen?
Die selbe Frage haben mir ein paar meiner Fans und Follower auch gestellt und ich würde sagen, es gibt hier zwei Antworten: Wenn es Dir eher egal ist, wieviel von deinem Abo bei deinen Lieblingsbands landet und was hinter den Kulissen passiert, dann kannst Du natürlich weiterhin Spotify bzw. Musik-Streaming generell nutzen. Denn auch wenn Spotify in den letzten Monaten stark im Fokus stand, weil viele Bands ihre Musik dort offline genommen haben, aufgrund der Investments von Daniel Ek und was sonst noch so an Schlagzeilen in den Medien war – im Grunde macht es keinen großen Unterschied, wo Du deine Musik streamst. Ich persönlich streame zwar nicht mehr bei Spotify, und das seit der Ankündigung, dass Spotify keine Einnahmen mehr ausschüttet für Songs, die unter 1.000 Plays bleiben. Aber ob Du jetzt bei Amazon Music, Google oder Tidal streamst, ist in meinen Augen eher zweitrangig, denn was unterm Strich bei den Künstler*innen ankommt, ist ein Witz. Wobei Tidal offenbar mit Abstand am meisten an die Künstler*innen weitergibt und auch die Soundqualität dort um Längen besser ist.
Wenn es Dir aber nicht ganz egal ist, dann solltest Du nach der Alternative suchen, die am direktesten und fairsten den Künstler*innen zugute kommt und die Musik tatsächlich kaufen. Bandcamp ist bspw. eine super Plattform um digitale und physische Releases zu kaufen und viele Artists sind dort auch präsent. Oder Du schaust, ob deine Lieblingsbands eigene Websiten haben und dort ihre Musik verkaufen. Ein Album, das sich (digital) halbwegs vernünftig verkauft, macht sich vor allem für unabhängige Musiker*innen extrem schnell bemerkbar bei den Einnahmen.
Wobei ich abschließend noch sagen will, dass ich wirklich keinem Fan übel nehmen würde, wenn er oder sie meine Musik weiterhin bei Spotify streamt – die Hauptsache ist ja erstmal, dass sie mich überhaupt hören ;-)
Zum Abschluss noch eine Frage: Gibt es etwas, was du dir als Musiker wünschst?
Für mich persönlich eigentlich nicht, weil ich mir in den letzten Jahren immer bewusster wurde, wie privilegiert meine Situation eigentlich ist. Dadurch, dass ich mich wirklich intensiv mit vielen Entwicklungen und Details beschäftige, kann ich mich auch immer besser entscheiden, welche Sachen ich mitmachen will und was ich einfach nicht mehr brauche. Für die Kleinkunst, die Sub-Kultur und den Underground würde ich mir aber tatsächlich wünschen, dass er von der Gesellschaft und der Politik grundsätzlich mehr Anerkennung und Unterstützung erhält. Vor allem hier sind seit Corona ein paar Dinge ins Rutschen geraten und es wird für alle in der Szene immer härter: Das geht bei Veranstalter*innen und Locations los, betrifft neben den Musiker*innen dann auch Personal wie Techniker*innen und geht dann im Grunde weiter bis zu den Fans. Da sind sehr viele Selbstverständlichkeiten von früher einfach bedroht und darüber müssen wir uns allmählich klar werden, sonst wird viel verloren gehen. Jetzt steht mit der K.I. schon das nächste große Thema vor der Haustür und ich bin mir sicher, dass sich auch dadurch in den nächsten ein, zwei Jahren sehr viel verändern wird – meistens wohl nicht unbedingt im Sinne der unabhängigen Künstler*innen.
Wie das bspw. gehen könnte, hat die GEMA vor Kurzem mit ihrer „Kulturförderung Online“ gezeigt: Bei dieser Förderung wurde speziell Musik gefördert, die online stattfindet bzw. released wurde, die aber abseits des Mainstreams passiert und trotzdem einen kulturellen Anspruch besitzt bzw. Mehrwert bringt. Die Gewinner-Songs wurden mit je 2.500 Euro gefördert und mein Freund und Kollege Franz Spencer und ich hatten tatsächlich das Glück, diese Förderung für unseren Song „Niederbayern Pt. II“ erhalten zu haben. Damit sind bei mir schon mal die Fixkosten zum Musikmachen für 2026 drin und ich muss mir keine weiteren Gedanken bzgl. der Bandraum-Miete, Kosten für die Website, usw… machen. Es kann also erstmal weitergehen mit dem „Grämsn Club“ ;-)
Zugang zum kostenfreien Grämsn-Club gibt es hier, auf Bandcamp kannst du seine Musik hier streamen. Und falls du am 8. November in Deggendorf bist: Grämsn tritt mit Fraenko und Maniac im Cafe Holler auf.