Gelegenheitsschriften – in aber nicht für die Öffentlichkeit

In dem Buch „Die Fabrikation des Feindes“ verwendet Umberto Eco im Untertitel den Begriff „Gelegenheitsschriften“. Er meint damit Texte, die durch eine externe Gelegenheit entstanden – meist durch eine Anfrage für Vorträge oder Gastbeiträge: „Das Thema hat den Autor gereizt oder zum Nachdenken über etwas gebracht, was er sonst vernachlässigt hätte“, schreibt er und ergänzt: „Ein weiterer Vorzug der Gelegenheitsschrift ist, dass sie nicht zur Originalität um jeden Preis verpflichtet, sondern eher unterhaltsam sein will, für den Autor wie für den Leser. So kann sie ein klassisches Divertimento sein, eine ,Gemütsergötzung‘ im barocken Sinne, ja sogar eine Übung in barocker Rhetorik.

Mit der barocken Rhetorik bin ich weniger vertraut als mit der Blogosphäre. Jenem Bereich der Publizistik, in dem Menschen meist ungefragt Gelegenheitsschriften und kleine divertimenti erstellen (diesen aus der Musik entlehnten Begriff mag ich übrigens sehr). Und an die Blogosphäre und ihrer Divertimenti musste ich auch denken als ich in Ecos Buch blätterte (nennt man das überhaupt so, wenn man im Tolino auf den äußeren Rand tippt und auf eine neue Seite hofft?):

Denn sind Blogeinträge in Wahrheit nicht auch Gelegenheitsschriften und manchmal sogar Divertimenti?

Diesen Verdacht habe ich jedenfalls wenn ich Felix‘ Beobachtung zum Bloggen lese…

ins­ge­samt nimmt mich die­ses blog­dings sehr in be­schlag, aber das ist auch gut so. weil ich hier ma­chen kann was ich will und ohne hoch­tra­bend klin­gen zu wol­len und ob­wohl ich mit jazz nichts an­fan­gen kann, ist das schrei­ben ins in­ter­net für mich wohl tat­säch­lich ge­nau das: jazz.

… und mich und mein Bloggen darin wieder finde. Denn auch dieses Blog und der Newsletter sind der Versuch Gelegenheiten zum Schreiben zu nutzen und dann zu veröffentlichen. Wobei die Öffentlichkeit dabei eher in dem Sinne zu verstehen ist, wie ich sie unlängst beim Jongleur an der Siegessäule vermutetet (was für mich weiterhin gilt auch wenn die Realität des Jongleurs anders ist). Es geht irgendwie drum und irgendwie auch nicht. Vielleicht kann man das gut mit dem Jazz-Zitat einordnen, das Felix notiert – oder in seinem Fazit, das ich sehr mag:

das ist das ins in­ter­net schrei­ben für mich eben auch, ein stück un­ver­zicht­ba­rer frei­heit, das zu schrei­ben und zu ma­chen was ich möch­te, was ich in­ter­es­sant fin­de, din­ge aus­pro­bie­ren, din­ge ob­ses­siv zu ver­fol­gen bis sie mich lang­wei­len, ge­le­gent­lich den ge­schmack an­de­rer zu treff­fen und ge­le­gent­lich das ge­gen­teil. al­les in der öf­fent­lich­keit, aber ei­gent­lich nicht für die öf­fent­lich­keit.