Mein Lob der Tageszeitung!

Was ist eigentlich los? Seit die Frankfurter Rundschau am Dienstag Insolvenz anmelden musste, hat eine Debatte in und über deutsche Medien begonnen, von der ich eigentlich gehofft hatte, sie führe endlich zum Kern dessen, was der Medienwandel von Journalisten und Marken verlangt: sich auf das zu besinnen, was ihren Wert ausmacht und basierend darauf, neue Wege zu gehen. Statt dessen werden wir im digitalen wie persönlichen Gespräch Zeuge einer deprimierenden (Selbst-)Bewusstseins-Erosion, die über zwei sehr unterschiedliche Wege zu dem sehr ähnlichen Ergebnis kommt: Es ist alles sehr sehr schlimm.

Der eine Weg nimmt seinen Anfang in der fast überall ungeleiteten Sorge klassisch sozialisierter Journalisten, das, was sie gelernt haben, könne nichts mehr Wert sein. Sie suchen ihr Heil im Angriff auf die Digitalisierung und dabei konkret auf die vermeintliche Kostenloskultur im Netz. Im Ausruf eines FAZ-Herausgebers ist diese Tendenz ebenso erkennbar wie in dem schon fast trotzigen Text aus der FR, der den Hauptgrund für die Krise des eigenen Blattes vor allem weit weg im Netz sucht.
Der zweite Weg kommt genau von dort und stellt wegen der Distributionsdefizite des Trägermediums Papier gleich eine ganze Gattung in Frage. Das mag naheliegend sein, ist aber deshalb nicht gleich richtig. Denn eine Tageszeitung ist, spätestens jetzt sollte das klar werden, mehr als das Papier, auf dem sie gedruckt wird. Eine Tageszeitung – wie ich sie im folgenden verstehe – besteht aus analogen (Papier) und digitalen Vertriebswegen (Web und Tablet-Versionen), eine Tageszeitung unterscheidet nicht zwischen Print- und Online-Redaktion, eine Tageszeitung ist der glaubwürdige Absender, der auf unterschiedlichen Kanälen seine Leser erreicht.

Beide oben genannten Reaktionsmuster kommen zu einem eher deprimierenden Ergebnis. Das ärgert mich. Denn ich glaube, dass die Tageszeitung ganz und gar nicht daran krankt, dass es jetzt das Internet gibt oder dass Märkte dort nach anderen Regeln funktionieren als man sich das vielleicht wünschen würde. Die Tageszeitung – so scheint es mir nach einer Woche Debatte in deutschen Medien – krankt zunächst am mangelnden Selbstbewusstsein ihrer Macher (print wie online): Die Idee Tageszeitung ist viel zu gut und viel zu stark als dass sie von ein wenig Medienwandel oder der Krise eines Vertreters in Zweifel gezogen werden sollte. Die Idee Tageszeitung kann und wird sich anpassen an die veränderten Lesegewohnheiten ihrer Community.

Was wir dabei erleben werden gleicht dem Umbau der Einrichtung und der Speisekarte in einem Restaurant. Kein alltäglicher, aber gewiss auch kein existenzieller Veränderungsprozess. Jeder gute Betrieb kennt so etwas. Diskutiert werden diese Anpassungen aber derzeit wie die Schließung des Lokals bzw. mit viel Pathos wie das Ende der Restaurant-Kultur in Gänze.

Ich glaube es ist an der Zeit, eine sachliche Debatte über die anstehenden Veränderungen zu beginnen. Dazu stelle ich mir fünf eher einfache Fragen, die zeigen, dass das Prinzip Tageszeitung sich anpassen kann (und wird), ohne so rum oder so rum zu sterben:

1. Wer sagt eigentlich, dass man eine Tageszeitung morgens lesen muss?
Das Internet von gestern auszudrucken, sei kein funktionales Prinzip, lese ich. Morgens, lese ich, würden Menschen sich anders informieren als über Papier.
Ich kann nicht beurteilen, ob das stimmt. Ich kann aber sagen, dass das nichts mit dem Prinzip der Tageszeitung zu tun hat. Denn wer sagt eigentlich, dass man diese morgens lesen muss? Seit die SZ (bei der ich – Transparenzhinweis – arbeite) als App bereits ab 19 Uhr überall auf der Welt verfügbar ist, lese ich sie sehr regelmäßig und sehr gern schon am Abend. Warum eigentlich denken wir, dass das die Ausnahme sei? Das Prinzip einer „Abendzeitung“ ist keineswegs neu, es neu zu denken und auszugestalten, ist das Gegenteil des Endes einer Tageszeitung. Es ist der logische Entwicklungsschritt eines sehr vitalen Prinzips.
Warum glauben wir, dass man sich abends vor allem über das Fernsehen informieren lassen müsse? Warum kann man dieses Gerät nicht einfach ausschalten und die abendliche Information mit Hilfe eines anderen Geräts auf dem Sofa organisieren? Dann könnte man von 19 Uhr bis Mitternacht in einer Tageszeitung lesen, was man bisher im gleichen Zeitraum in TV-Nachrichten aufbereitet bekommt. Man könnte sich vorab über das Personal einer Talkshow informieren, die man anschließend im klassischen Fernsehen anschaut und parallel (im Netz, auf dem Tablet) mit Tageszeitungs-Redakteuren bespricht.
Wenn all das in Form einer Einzelausgabe oder einer monatlichen Pauschale bezahlt wird, ändert sich überhaupt nichts am Prinzip der Tageszeitung, sie wird lediglich zu einem anderen Zeitpunkt gelesen. Das wird sie, soviel kann man sicher sagen, nicht töten!

2. Wen interessiert eigentlich was vergangene Woche war?
Tagesaktuelle Information, lese ich, holen sich die Menschen im Netz. Für ausgeruhte Analysen und Hintergründe hingegen, so lese ich auch, zahlen sie auch auf Papier, aber nicht täglich, sondern eher im Wochenrhythmus.
Das klingt zunächst stimmig. Aber warum eigentlich ausgerechnet für Wochentitel?
(Manche) Menschen werden ein Gefäss brauchen, das aus dem ständig fließenden Strom der Informationen konsumierbare Einheiten formt. (Manche werden auch auf Gefässe verzichten, deshalb brauchen Tageszeitungen Webseiten, die nach dem Strom-Prinzip des Netzes organisiert sind). Wenn ich mir aber überlege, wie lang eine Woche geworden ist, erscheint mir eine Wochenzeitung oder ein Wochenmagazin dafür langfristig eher ungeeignet. Die Beschleunigung führt dazu, dass die Kriterien Information und Nachrichten aus dem Tagesrythmus in die Echtzeit-Geschwindigkeit rutschen (dafür gibt es die Netz-Version einer Tageszeitung: ihre Website) und die Kriterien Einordnungen, Zurücklehnen, Verstehen (die wir bisher bei einer Wochenzeitung vermuten) werden in den Tagesrhythmus rutschen – und zwar in Form abgeschlossener Einheiten, die einen Anfang und ein Ende haben. Google Currents arbeitet mit diesen Einheiten, zahlreiche Apps nutzen dieses gelernte Prinzip und auch die bereits zitierten Abendnachrichten in Fernsehen ziehen genau daraus ihren Wert. Man könnte so ein Format „Tageszeitung“ nennen, eine tägliche Informations-Einheit, die mich begleitet, mir Heimat bietet und mich informiert.

Dabei handelt es sich um eine Dienstleistung, die ihre Bedeutung eben genau daraus generiert, dass im Prinzip jeder seine Nachrichten selber bündeln könnte. Will man aber nicht, ist viel zu anstrengend und zeitaufwändig. Das sollen lieber Profis machen: deshalb gibt es Bäckereien und z.B. auch Restaurants.

3. Wieso glauben wir eigentlich, dass alle nur auf unseren Inhalt gewartet haben?
Dass Verlage keine Bezahlschranke eingeführt haben, lese ich, ist der große Fehler der Vergangenheit. Das müsse man jetzt beheben, lese ich, und schon lösen sich alle Probleme.
Ich bin kein Verlagsexperte und auch keiner fürs Online-Shopping, ich weiß aber, dass Verlage die Inhalte nicht ins Netz stellen würden, wenn sie damit (über Display-Werbung) nicht auch Geld verdienen würden. Und von Fachleuten fürs Online-Shopping weiß ich, dass diese nicht einfach ein Produkt in Netz stellen und dann die Hand aufhalten. Ich weiß, dass das Verkaufen im Internet sehr eigenen Regeln folgt, die wir gerade erst lernen. So zu tun, als müsse man einfach nur die Inhalte, die für Print erstellt wurden, gegen Bezahlung ins Netz stellen und dann lediglich die Hand aufhalten, erscheint mir nicht zielführend. Wer diese Debatte führen will, sollte sich mit „Conversion im Netz“ befassen und vor allem mit der Frage: Wofür eigentlich bezahlen meine Leser schon heute? Welche neue Leserschaften kann mit mit welchen Inhalten zum Bezahlen bewegen? Journalisten, die sich für Paid Content engagieren wollen, müssen sich zunächst damit befassen, wofür und warum im Netz bezahlt wird. Das hat – erste Annahme – nicht nur mit Euros, sondern auch mit Aufmerksamkeit und Display-Werbung zu tun. Und da wo es mit Euros zu tun hat, geht es um Inhalte, die „für mich gemacht“ sind. Es hat aber – dritte Annahme – nicht nur mit Inhalten zu tun.

4. Wer sagt eigentlich, dass man nur für den Inhalt bezahlt?
Wenn alle Verlage eng zusammen stehen, lese ich, werden sich Bezahlinhalte auch im Netz durchsetzen. Wir müssen zusammen gegen die Kostenloskultur kämpfen, lese ich weiter, dann werden sich die aus Print bekannten Finanzierungsmodelle schon von alleine einstellen.
Ich bin kein Betriebswirt, ich will und kann das überhaupt nicht bewerten. Ich sehe aber, dass schon im Analogen die Bezahlung keineswegs zwingend an den Inhalt geknüpft ist. Wer ein Produkt kauft, kauft damit mehr als das Produkt. Damit meine ich gar nicht die durch Marketing stattfindende Aufwertung eines Produkts, die dazu führt, dass Menschen für einen Schuh nur deshalb sehr viel mehr Geld ausgeben weil er ein besonderes Zeichen trägt (ansonst aber dem billigen Modell sehr ähnlich ist). Ich meine damit das Eintreten in eine Gruppe, das man vollzieht, wenn man sich für dieses und nicht für jenes Produkt entscheidet. Bei Kleidung ist dies offensichtlich, ich denke, dass es auch für Medien gilt. Mit der Entscheidung, diese Zeitung zu lesen und nicht jene, schreibe ich mich in eine Gruppe ein. Diese Gruppe unterscheidet sich von der anderen – und im Netz wird sie jetzt auch abbildbar. Ich kann darstellen, welche Menschen gleichzeitig mit mir auf einer Website sind, welche Menschen gemeinsam mit mir genau jetzt genau diesen Text lesen. Bisher sprechen wir sehr allgemein von „Social Media“, ich glaube, wir sollten hier von Ansätzen zu einer Finanzierung von morgen sprechen.

5. Warum zum Teufel suchen wir eigentlich nach der einen Lösung für alles?
Klar gibt es da Umsätze, lese ich, klar bewegt sich da was, aber es reicht nicht aus. Man kann viele Dinge ausprobieren, lese ich weiter, aber sie bringen halt nur kleine Erträge, nicht den großen Wurf.
Vielleicht zeichnet genau das Phasen des Übergangs aus: dass sie (erstmal) ohne großen Wurf auskommen. Dass sie aus vielen kleinen Schritten bestehen, dass sie eine Addition von Entwürfen sind und kein einfacher neuer Sprung. Seit ich mit Crowdfunding experimentiere, wird mir immer wieder die eine Frage gestellt: ob das jetzt ein angemessener Ersatz für klassische Finanzierungsmodelle sei. Wieso eigentlich Ersatz? antworte ich dann. Wieso eigentlich nicht Ergänzung?

Ich glaube die Antwort liegt in dem zum Einstieg formulierten Grundkonflikt: In der allgemeinen Debatte wird nach einer einfachen Lösung gesucht: die Zeitung stirbt oder lebt genau so weiter wie bisher. Beides tritt – dessen bin ich mir sicher – nicht ein. Stattdessen werden wir uns daran machen, die obigen Fragen (und noch einige mehr) voller Selbstbewusstsein zu beantworten. Denn ich wüsste gerade keinen besseren Ort um am und mit dem Medienwandel zu arbeiten als eine Tageszeitung!

35 Kommentare

Ich glaube nicht, dass es noch um die ‚richtige‘ Art geht, Zeitung zu machen. Mittlerweile müssten eigentlich alle gemerkt haben, dass die tollste Technik nichts hilft, wenn die inhalte überall, nur leicht abgewandelt, dieselben sind, und die Redakteure mehr mit Technik und Layout als mit Geschichten und Menschen beschäftigt sind. It’s the content, stupid.

Layout ist nicht unwichtig. Immerhin putzt sich so die Braut heraus, um genügend Prinzen um sich herum zu sammeln, die den Drachen für sie töten sollen.
Aber wichtig sind halt die Umstände, unter denen heute Journalisten arbeiten müssen. Ich erinnere mich noch an meine Studentenzeit, in der ich für eine Zeichnung 100,– DM erhielt, während Textbeiträge oft mit 25,– DM vergütet worden und das waren oft Gastbeiträge von ortsansässigen Dozenten. Die Bezahlung war also besser als sie oftmals heute ist. Für uns PR-Leute ist das natürlich die Chance: Unsere Beiträge werden professioneller und werden ohne große Kürzungen publiziert. Welche Zeitung leistet sich heute noch aufwändige größere Recherchen? Doch nur wenig. Aber vielleicht sind das die, die noch höhere Auflagen haben.

Ich lese die Tageszeitung auch meist erst gegen MIttag, manchmal erst am Abend – 20 Minuten Zeit nehme ich mir dafür im Schnitt. Viele Leser, denke ich, haben durch das „drohende“ Erscheinen der Ausgabe des kommenden Tages eine Art Verfallsatum im Kopf, dabei ist der Feuilleton oder das Reiseblatt viel länger interessant zu lesen!

Im Grunde geht’s um die Erhaltung eines Rituals: wer keine Tageszeitungen kennt, wird schwerlich zu einer greifen. Und wer mit ihr gross wurde, so wie ich, der empfindet einen Tag ohne sie als unvollständig. Ich glaube, die Tageszeitungen wären gut beraten, viel mehr auf junge Leute zuzugehen, und diese für das Ritual Zeitunglesen zu gewinnen. Fragt mich aber nicht, wie das gehen soll – ich bin nur Leser. :)

Eine der Grundregeln für Journalisten lautet doch, die Leser dort abzuholen, wo sie sind. Manchmal frage ich mich, warum so viele Verlage so hartnäckig ignorieren, dass ein Großteil vor allem ihrer zukünftigen Leser einen guten Teil ihrer Zeit im Netz verbringen. Das muss nicht das Aus der Tageszeitung bedeuten, da folge ich dem Beitrag. Aber vielleicht ist hier ein Ansatzpunkt: Wenn die Verlage aus dem Netz heraus viel stärker auf die Vorteile der Printausgabe hinweisen würden? Crossmedial funktioniert heute wenn überhaupt von Print auf online, aber m. A. nach noch zu wenig von online- auf Printmedien. Man müsste sich Gedanken machen, WARUM die Menschen eine Zeitung aus Papier noch lesen sollen. Es gibt sie, sie liegen nicht auf der Hand. Es könnten ästhetische Gründe sein, Layout, große Fotos. Aber auch inhaltliche: Vielleicht muss man in der Tageszeitung nicht mehr ALLES finden, was die Tagesaktualität ausmacht – dafür gibt es Online-Medien. Vielleicht finden wir dafür in der Tageszeitung neue Aspekte eines tagesaktuellen Themas, das die gar nicht mehr entdecken können, die unter dem täglichen Zeitdruck schreiben müssen? Die Tendenz bei Pintmedien sollte dahingehen, mehr Journalisten freizustellen, die einzelne Themen noch am selben Tag mit Zeit und guter Recherche bearbeiten können. Solche Journalisten könnte man sich eher leisten, wenn man die Redaktion vom Anspruch befreit, den Tag komplett abbilden zu wollen. Wer liest noch die Kurznachrichten in der Zeitung? Die Kommentare und Hintergrundberichte vieler Tageszeitungen aber sind eine gute Ergänzung zum Online-Nachrichtenkonsum. Und nicht zuletzt: Das Schöne ist doch, dass man die Zeitung auch dann noch lesen mag, wenn am Abend endlich alle Geräte ausgeschaltet sind.

Ich bin auch von einer Zukunft der Tgeszeitung überzeugt. Allerdings unter zwei Voraussetzungen: 1. mehr Lokaljournalismus und 2. enge Verknüpfung mit den interaktiven Möglichkeiten des Internets.

Warum nicht eine facebook-seite anmelden um Frankfurter Rundschau ökonomish zu understüttzen. Wahrsheinlich leben ja viele Frankfurter ins Ausland – und sie werden vieleicht eine Möchlicheit haben die Zeitung zu unterstützen durch eine tablet-ausgabe

Überaus lesenswerte Gedanken. Allerdings macht sich bei Punkt 1 (Talksendungen auswerten) Heiterkeit breit. Diese intensive Beschäftigung dürfte der visualisierte Traum von Fernseh- udn Tageszeitungsredakteuren sein. Eine Talkshow ist kein Hochamt und da in den meisten Sendungen altbekannte Protagonisten Allbekanntes vortragen („Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem“), bleibt so viel Aufmerksamkeit ein Traum. Oder haben Sie abends niemandem zum Reden oder für andere Beschäftigungen?

Wenn ich von meinem Leseverhalten ausgehe, dann interessiert mich a) was es neues gibt, b) ob etwas davon verfolgenswert ist, und c) wo ich entsprechende Artikel mit anhaltender Wirkung, also guter Qualität finden kann (Punkt b beantworte ich selbst, es bleiben demnach a und c).

Ich brauche nicht über jedes Thema jeden Tag Informationen, sondern in bestimmten Zeitabständen ausführliche und nachhaltige. Tendenziell bedeutet das schon eine Verschiebung hin zu Angeboten, die ich nicht jeden Tag konsultieren müsste oder will (also: wenn zeitlich möglich und regelmäßig).

Ein sehr einfaches ein-Klick-Bezahlmodell, das alle (nahezu alle) deutschsprachigen Zeitungen im Netz umfasst mit sehr geringen Preisen pro gelesenem Artikel, wäre eine Möglichkeit, wenn wirtschaftlich zur Erhaltung der Qualitätszeitungslandschaft erforderlich ist (generell präferiere ich einen freien Zugang).

Bitte vergesst nicht die jahrelange Pressekonzentration, WAZ, Springer u.s.w.. Auch wurde die Qualität der Tageszeitungen immer schlechter BEVOR das internet das Licht erblickte. Der Texter bekam ein Fotoapparat, der Fotograf bekam ein Schreibblock in die Hand gedrückt. Das Layouten war auch wichtiger als die Recherche. Und dann kam das Internet und brachte die schöne Welt der Gewinnmaximierer ins wanken. Aus dem Kulturgut Zeitung wurde ein ganz normales Geschäft.

Irgendwann, als ich angefangen habe, das Internet zu verstehen, habe ich gedacht: Wow, was für eine geile Erfindung ist das bitte für den Journalismus! Ich selbst werde dort sehr bald intensiv recherchieren und weltweit kontaktieren können. Die Redaktionen werden nicht mehr auf Deadlines angewiesen sein. Niemand wird mehr sagen müssen: „Nichts ist so alt wie die Zeitung von heute.“ Und die Wochenzeitungen und Magazine werden ihre Geschichten dann publizieren können, wenn sie fertig sind. Und vor allem: Aktualisieren.
Das war vor etwa 17 Jahren. Und heute?

Dienstags liegt der stern in den Redaktionen, der am Donnerstag am Kiosk verkauft wird. In Notfällen kann bis zum Mittwoch noch was im Heft geändert werden, aber hey – aktuell kann er niemals sein. Die Geschichte online weiter drehen oder im eMagazine aktualisieren? Pustekuchen.
Die Strukturen sind so starr, dass sie jetzt nur noch brechen können. Vor uns liegen interessante Zeiten. Und damit die Chance auf die Rückbesinnung, was Qualitätsjournalismus eigentlich sein sollte: http://www.shamanifesto.de/2012/11/20/lieber-qualitatsjournalismus/

Ich lese generell keine Papierzeitungen mehr, denn das ist imho Papierverschwendung. Vor allem weil die Informationen schon nicht mehr aktuell sind bei Erscheinen der Ausgabe und ich auch keine Lust habe alle vier Wochen Kartons voll mit Altpapier zur Sammelstelle zu bringen.

Der Nachteil beim Lesen der Online-Zeitungen ist, dass hochaktuelle Artikel erstmal so ziemlich alle gleich sind, egal wo man schaut. Man wird den Eindruck nicht los, dass auf Kosten der Aktualität die Artikel alle erstmal bei bspw. dpa abgeschrieben werden. Einige Stunden später werden dann die Artikel nachbearbeitet oder durch neue ersetzt, in denen man wirklich Informationen findet die man haben möchte.

Die Krux ist, dass da Masse mit Klasse verwechselt wird. Von einer guten Online-Zeitung erwarte ich, dass gut recherchierte Artikel mit möglichst vielen Hintergrundinformationen da sind. Ich erwarte eine gut lesbare grafische Aufarbeitung des Themas mit Links auf themenbezogene Artikel. Auch Links auf zeitungsfremde Seiten wären gut. Es fällt ja bestimmt keiner Zeitung ein Zacken aus der Krone wenn Blog-Artikel von Fachleuten verlinkt werden würden. Im Gegenteil wäre das eine Bereicherung. Teilweise ist das ja schon so, aber eben noch sehr ausbaufähig.

Und bezahlen tue ich gerne, wenn ich was sehr interessantes und gut aufgearbeitetes finde. Aber eben nur dann. Für eine Abschrift eines dpa-Artikels bezahle ich nichts… Und Bezahlmöglichkeiten á la Flattr gibt es ja schon zuhauf.

Was erwarten wir von der Tageszeitung? nicht nur Aktualität. Was war heute / gestern wichtig, ja, aber eben auch und vor allem: was spielt sich im Hintergrund ab, was haben mir Kleber und Buhrow nicht erzählt? und dann das Feuilleton: im Netz finde ich alles rezensiert, aber erst die Auswahl macht’s, sie macht Beschriebenes und Beschreibenden wichtig.

Zu 1.: gute Idee. Immer wurmt es mich, vormittags bei einer Überregionalen keine Champions League-Ergebnisse zu lesen, und bei der Regionalen keine Spielberichte. Von den Interviews ganz zu schweigen. Als Beispiel.
Zu 2.: Oh, das wird dann blöd für die ZEIT. Es gibt aber einen Ausweg: wenn die Artikel so gut sind, dass sie eine Debatte (online) nach sich ziehen, die eine Woche läuft. Das ist die Überleitung ..
..zu 4.: Das ist der casus usw.: Es geht nicht darum, die marodierenden Online-Leserscharen mit einer konzertierten Aktion zum bezahlen zu zwingen und das Rad so zurück zu drehen. Es geht darum, dass die Leser zahlen wollen sollen, und das wollen sie, wenn sie zugehörig werden zu Zeitungsmarken. Aber das heißt auch, weiß doch jeder im Marketing: ich will dann auch Exklusivität. Ich will keine pdfs lesen. Ich will was geboten bekommen. Ich will mit reden, kommentieren, verlinken, schreiben, und zwar zunächst in meinem Club, in dem ich zahlendes Mitglied bin, weil er mir was wert ist (das könnte auch diverse Probleme des Kommentierwesens im Netz entschlacken).
Zu 3.: Andernorts erkauft man sich im Netz mit der Bezahlung ja Werbefreiheit. Das wird schon ganz schwierig, wenn man zahlen und sich womöglich umso mehr bewerben lassen soll mit digitalen Zeitungsangeboten. Ein Bezahl-Motiv könnte jedenfalls Werbefreiheit sein.

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