Der Spiegel, Blogs und eine Rollbahn in Island

Ich hatte vergangenen Woche hier über einen Text aus dem Spiegel geschrieben, dessen Haltung zu Blogs und zur Digitalisierung mir fragwürdig erschien. Gerade lese ich, dass der Text offenbar ganz andere Probleme hat.
Alexander Svensson hat sich auf die Suche nach dem Ursprung einer Geschichte gemacht, die Ralf Hoppe in dem zitierte Text erzählt. Es geht dabei um das Aufkommen von Gerüchten in Blogs, um unfundierte Berichterstattung und unkalkulierbare Folgen. Konkret schreibt Hoppe über die Blog-Berichterstattung von Volksreportern, die zu folgendem Szenario geführt habe:

Aber die Isländer machten sich in der Nacht auf, blockierten ebenso tapfer wie sinnlos anderthalb Tage die Startbahn, bis alle steifgefroren waren. Der Erfinder dieses Gerüchts, der Blogger, wer immer es war, hat eine Menge kalter Füße und Blasenentzündungen zu verantworten

Ich hatte mich in meinem letzten Eintrag nicht weiter um diese Geschichte gekümmert, angenommen, sie habe sich so zugetragen. Alexander Svensson tut das nicht, er fragt nach:

Fragen wir Isländer. Und mit »wir« ist auch Bastian Brinkmann gemeint, Wirtschaftsredakteur bei Süddeutsche.de. Da ihn ebenfalls das Rollbahngoldfieber gepackt hat, fragt er Baldur Hedinsson, einen Mathematiker, der bei der renommierten NPR-Sendung »Planet Money« ein Praktikum gemacht hat. Hedinsson, der Island-Erklärer für NPR, sagt, dass er von der Geschichte noch nie etwas gehört hat: »I’d be amazed if it ever happened.« Er hat auch noch mal herumgefragt, ebenso erfolglos.

Guðjón Már Guðjónsson hat 2010 das Isländische Nationalforum nach der großen Krise mitorganisiert. Die Flughafenbesetzung? »I have never heard this story before«. Er fragt bei seinen Facebook-Freunden nach und erntet dafür 28 Likes und neun Smileys. (Einer schlägt vor, mir gephotoshoppte Bilder von eingefrorenen Demonstranten zu schicken. Das stößt auf Zuspruch.)

Wir können auch Isavia fragen, das ist die Gesellschaft, die Islands Flughäfen betreibt. Dort ziert man sich nicht, auf die merkwürdige Anfrage zu reagieren: Das sei eine großartige Geschichte, schreibt mir der Isavia-Sprecher sofort zurück, bedauerlicherweise ohne ein Fünkchen Wahrheit, aber dennoch großartig.

Was ist da los? Kann das sein, dass ausgerechnet die Beleg-Episode für die mangelnde Qualität von Blogs nicht zu belegen ist? Hat Alexander Svensson falsch gefragt? Handelt es sich um eine andere Rollbahn als um die, die von Isavia betreut werden?
In seinem Beipackzettel zum Spiegelblog schrieb Stefan Niggemeier im vergangenen September:

Der »Spiegel« leistet sich zum Beispiel eine Redaktion von über 80 Dokumentaren, die alle Texte prüfen. Dieser Aufwand bleibt dem oberflächlichen Betrachter verborgen. Teil der öffentlichen Diskussion zu werden, bedeutet daher nicht nur, sich (berechtigter oder unberechtigter) Kritik zu stellen, sondern auch, die eigenen Stärken erkennbar zu machen. Der »Spiegel« kann von einer Debatte, in der dieser Aufwand sichtbar wird, nur profitieren. Selbst dann, wenn das nicht immer dazu führt, jeden Leser zufrieden zu stellen.

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