Der Mythos vom Geburtsfehler

„Es gibt den verfluchten Geburtsfehler des Internets, dass das Internet kostenlos ist. Diesen Fehler werden wir nicht korrigieren können.“

Das Zitat stammt von Kai Diekmann, den Geburtsfehler-Glauben hat der Bild-Chef aber nicht exklusiv, T-Online-Manager Thomas Holtrop spricht und viele Manager andernorts denken genauso: Hätte man nur früher die Bezahlschranken im Netz hochgezogen, sähe es heute nicht so schlimm aus.

Ich glaube dieser Mythos vom Geburtsfehler ist irreführend, falsch und er verhindert das Nachdenken über wirkliche Geschäftsmodelle im Netz. Denn zum einen ist das Internet nicht kostenlos (es wird halt kaum für Inhalte gezahlt) und zum zweiten hat das Netz aus der Idee, dass man mittels digitaler Kopie Inhalte günstiger verbreiten kann, sehr wohl ein Modell entwickelt – und dieses Modell ist erfolgreicher als die Bezahlvariante. Jedenfalls war das bei dem ersten großen Versuch, der in Richtung Paid Content unternommen wurde, so. In der aktuellen Ausgabe des NZZ-Folio (via) mit dem Schwerpunkt „Zeitung“ widmet sich Steffan Heuer dem amerikanischen Zeitungsmarkt und zeigt am Beispiel der New York Times, warum die Kostenlos-Kultur kein Geburtsfehler, sondern gewollt ist: Sie lohnt sich, jedenfalls ist sie ertragreicher als die Bezahlvariante:

Einzelne Verlage haben mit einer Onlinemaut experimentiert, aber selbst die ‚New York Times‘ gab ihr ‚Times Select‘-Projekt nach zwei Jahren wieder auf, da es nur 10 Millionen Dollar an Gebühren eintrieb – eine kleine Summe im Vergleich zu den 68 Millionen Dollar, die die Firma im zweiten Quartal dieses Jahres mit Onlinewerbung umsetzte.

Es gibt zwei Gründen, die diese Summen erklären können und keiner der beiden ist der „Geburtsfehler“. Zum einen ist es eine Folge der Befreiung der Information: Digitaler Inhalt ist nicht mehr an einen Datenträger gebunden, er wird frei, für seine Verbreitung entstehen kaum Kosten, sie ist für jeden ohne Qualitätseinbußen möglich. Das ist die große Chance des Internet und der große Ärger für alle Content-Anbieter. Das zweite Problem im Zeitungsmarkt kommt hinzu: Informationen werden nicht als exklusiv wahrgenommen. Dass Obama den Friedensnobelpreis bekommen wird, glauben die Menschen einem kostenlosen Nachrichtenportale genauso wie einer renommierten Zeitung. Wenn das so ist, wird man anerkennen müssen: Es wird immer einen Mitbewerber geben, der günstiger (nämlich kostenlos) am Markt ist.

Es bleibt natürlich richtig: Verlage müssen einen Weg finden, ihren daniederliegenden Vertriebsmarkt im Netz zu stärken (oder überhaupt zu erfinden). Sie müssen den Lesern Angebote machen, für die diese bereit sind zu zahlen. Aber vielleicht finden sie die eben nicht im Inhalte-Bereich. Ganz sicher finden sie sie nicht, wenn sie dem Internet einen Geburtsfehler andichten, der auch noch falsch ist. Besser wäre es, dort zu kopieren, wo im Netz bezahlt wird. Denn es gibt ja Felder, auf denen online sehr wohl gezahlt wird, aller Kostenlos-Kultur zum Trotz.

Vielleicht können Verlage sich dort ja was abschauen – ich glaube schon.

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