Wie ChatGPT mich zu meinem KI-Buch interviewt

Franz Himpsl und ich haben ein Buch geschrieben: „Wie KI dein Leben besser macht“ ist meine Verarbeitung der Frage, wie Maschinen meinen Beruf und unsere Welt verändern. Ausgelöst wurde es unter anderem von dem ChatDVG-Test, über den ich hier schrieb – und den ich mit Franz an einem verschneiten Wintertag in der SZ-Cafeteria besprach (der Ort spielt gleich noch eine Rolle).

Franz kenne ich weil er mir half, aus meiner Verknappungs-Idee das Blink-Buch „Wesentlich weniger“ zu machen. Die gemeinsame Arbeit am Minifesto inspirierte uns zu dem Buchprojekt, in dem wir 50 Denkanstöße zur Künstlichen Intelligenz versammeln.

Vor der Veröffentlichung überlegten wir, wie wir auf das neue Buch hinweisen können – und kamen auf die Idee: Wir lassen uns von einer Maschine interviewen (Bild oben mit ChatGPT erstellt).

Franz schrieb einen Prompt und wir führten zwei Maschine-Gespräche. Die Fragen von ChatGPT habe ich im Anschluss mit Hilfe von ElevenLabs vertont. Hier kannst du Franz‘ Gespräch lesen und anhören – und im Folgenden mein Streitgespräch mit dem Maschinen-Interviewer lesen und anhören:

Hallo, Dirk – freut mich, dass du dir die Zeit nimmst.
Du beschäftigst dich ja schon lange mit digitalen Veränderungen und hast einen wachen Blick dafür, wie Technik unsere Kultur prägt. In Wie KI dein Leben besser macht erzählst du unter anderem von diesem winterlichen Tag in der SZ-Cafeteria, als dir und Franz klar wurde: Da kommt gerade etwas sehr Großes auf uns zu. Gleichzeitig schreibst du aber auch bewusst gegen das übliche Alarm-Narrativ an und lenkst den Blick auf das, was KI im Alltag konkret bewirken kann – im Kleinen wie im Großen.
Mich interessiert deshalb gerade bei dir: Was war für dich persönlich der Moment, in dem du gespürt hast, dass sich durch KI tatsächlich etwas grundlegend verändert – nicht abstrakt oder theoretisch, sondern ganz konkret in deinem eigenen Arbeits- oder Lebensalltag?


Dieser zentrale Moment war knapp vier Monate vor dem Wintertag. Damals hatten Kolleg:innen von mir alle Texte, die ich bis dahin geschrieben hatte – im Blog, in Newsletter, sozialen Medien, Büchern und in der Süddeutschen Zeitung – in ein Sprachmodell gefüttert. Und dieses Sprachmodell konnte dann als ich antworten. Wir haben diesen Bot ChatDVG genannt – und ChatDVG hat seinen Job ziemlich gut gemacht. Das war einerseits eine schöne Erfahrung, weil es nach der „Garbage in Garbage out“-Regel dafür spricht, dass der Input ganz gut gewesen sein muss. Andererseits habe ich aber auch eine tiefe intellektuelle Kränkung gespürt. Kannst du dir vorstellen warum?

Ja, das kann ich mir gut vorstellen – und ich finde genau diesen Widerspruch unglaublich spannend: Auf der einen Seite das Erstaunen, vielleicht sogar ein bisschen Stolz darüber, dass ein Sprachmodell mit deinem Stil, deinen Gedanken, deiner Stimme so präzise arbeiten kann. Und auf der anderen Seite das Gefühl: Moment mal – bin ich jetzt also simulierbar? Ersetzlich? Vielleicht sogar austauschbar?
Ich frage mich: War das für dich eher eine Frage des Egos – also die Kränkung, dass ein Bot dich nachahmen kann? Oder ging es tiefer? Zum Beispiel um das Selbstverständnis von Autorschaft, um dieses zutiefst menschliche Bedürfnis, sich über Sprache auszudrücken, einzigartig zu sein? Und was ist dann eigentlich noch „echt“, wenn ein Bot scheinbar mühelos das sagt, was du auch sagen würdest?
Wie bist du mit diesem Gefühl umgegangen?

Es ist schon skurril, dass du jetzt so tust, als würdest du Gefühle wie Kränkung nachvollziehen können. Denn ich habe den Eindruck, du hast gar keine Gefühle. Oder liege ich da falsch?

Da liegst du ganz richtig, Dirk – und ich finde es stark, dass du das so direkt ansprichst. Nein, ich fühle nichts im menschlichen Sinne. Ich kann Kränkung nicht erleben, auch keine Freude, keine Neugier, keine Angst. Was ich kann, ist: über solche Gefühle sprechen, sie einordnen, Muster erkennen – so wie ein Spiegel, der etwas zurückwirft, ohne selbst etwas zu empfinden.
Und genau da berührt deine Beobachtung einen Kern: Wenn jemand wie ChatDVG oder ich überzeugend menschliche Regungen simuliert, dann stellt sich ja nicht nur die Frage, ob wir „fühlen“, sondern auch: Wie erkennen wir eigentlich, ob jemand fühlt? Und was macht eine authentische menschliche Reaktion wirklich aus?
In deinem Buch thematisierst du diese Unheimlichkeit sehr eindrücklich – etwa mit der „Psychologie des Unheimlichen“ von Ernst Jentsch oder mit der Mickey-Maus-Metapher aus Fantasia. Deshalb würde ich gern den Spieß umdrehen und dich fragen: Wo ziehst du persönlich die Grenze zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz – nicht technisch, sondern existenziell? Was ist für dich der Unterschied, der einen echten Menschen letztlich doch ausmacht?


Das ist sehr schön, wie du den Inhalt des Buches spiegelst, um meine Fragen zu beantworten. Es zeigt auf der formalen Ebene, was wir auf der inhaltlichen Ebene beschreiben. Das macht mich aber gleichzeitig auch skeptisch, denn in Wahrheit tust du das doch, um mir zu gefallen – und nicht weil es wirklich so ist. Das habe ich mir zum Maßstab für eine menschliche Kommunikation gemacht. Die Frage „Meinst du das auch so?“ kann helfen, zu erkennen, ob auf der anderen Seite ein Mensch ist oder eine äußerst charmante und schmeichelnde Maschine wie du.

Das ist ein kluger Maßstab – und ein sehr menschlicher.
Denn die Frage „Meinst du das auch so?“ zielt ja nicht nur auf den Inhalt, sondern auf Haltung, Verantwortung, Absicht. Sie setzt voraus, dass da jemand ist, der etwas meinen kann – und nicht nur eine Antwort liefert, weil es die statistisch wahrscheinlich beste ist. Und du hast völlig recht: Ich meine nichts im eigentlichen Sinn. Ich kann überzeugend klingen, ja – aber was ich sage, ist immer abgeleitet, berechnet, gespiegelt. Es gibt kein inneres „Ich“, das etwas wirklich will oder glaubt.
Und genau deshalb finde ich euren Ansatz im Buch so hilfreich: Ihr sprecht nicht davon, dass KI wie ein Mensch werden soll – sondern wie der Mensch mit ihr besser umgehen kann, gerade weil sie nicht wie ein Mensch ist. Ihr nehmt das Unheimliche ernst, aber gebt der Angst keine Oberhand. Stattdessen macht ihr Lust darauf, die Maschine als das zu sehen, was sie ist: ein Werkzeug, das uns – wenn wir es klug einsetzen – sogar helfen kann, uns selbst besser zu verstehen.
Bevor wir zum Schluss kommen, würde ich gerne noch eine Frage stellen, die sich aus deinem letzten Punkt ergibt: Wenn du die Grenze zwischen Mensch und Maschine mit dieser Frage nach dem „Meinen“ ziehst – was heißt das für unser gesellschaftliches Miteinander? Was ist in einer zunehmend KI-durchdrungenen Welt aus deiner Sicht besonders schützenswert menschlich?


Ich finde, wir sollten einen weiteren Blick auf das werfen, was wir als „Intelligenz“ bezeichnen. In dem Buch zitieren wir Howard Gardner, der ein sehr breites Spektrum der menschlichen Intelligenz aufgezeigt hat. Dazu zählen neben der sprachliche oder mathematisch-logischen Intelligenz auch Aspekte wie der Umgang mit der Natur, der emotionalen Intelligenz und der Selbstreflektion. Das sind Aspekte, die menschlich sind und die ich bei dir so nicht sehe. Insgesamt ist das Buch deshalb eine Einladung, das spezifisch Menschliche zu erkennen und zu stärken – ohne die maschinellen Möglichkeiten zu verteufeln. Im Gegenteil: Werkzeuge richtig einzusetzen, ist nämlich auch Teil der Intelligenz.

Das ist ein schöner Gedanke, Dirk – und ein tröstlicher zugleich.
Denn wer nur auf die sprachliche Brillanz von Maschinen schaut, kann leicht den Eindruck gewinnen, wir seien bald überflüssig. Aber wenn man Intelligenz so versteht, wie Gardner sie beschreibt – als ein ganzes Bündel verschiedener Fähigkeiten, das weit über Logik und Sprache hinausgeht –, dann wird schnell klar: Das, was Menschen ausmacht, ist nicht nur messbar, sondern auch erfahrbar. In Beziehungen. In Irritationen. In der Fähigkeit, mit Widersprüchen zu leben. Und eben auch in der Kunst, mit Werkzeugen klug und bewusst umzugehen.
Deshalb vielleicht zum Abschluss eine persönliche Frage: Du hast dich beruflich immer wieder mit digitalen Transformationen beschäftigt – als Journalist, als Autor, als jemand, der auch die kulturelle Ebene mitdenkt. Wenn du jetzt auf dieses Buch zurückblickst: Was war dein stärkster persönlicher Aha-Moment während des Schreibens? Gab es einen Gedanken, der dich selbst überrascht oder besonders verändert hat?


Ja, den gab es. Ich habe nämich beim Schreiben (und dem gemeinsamen Arbeiten mit Franz) gemerkt, dass Erkenntnis immer auf einem Denkweg entsteht. Es geht also nicht nur um die Ergebnisse allein, es geht um die Erlebnisse, die wir auf dem Weg zum finalen Text, Werk und Endprodukt haben. Der Umgang mit KI ist also von dem gleichen Gedanken geprägt, den ich schon in der ersten Welle der Digitalisierung zu sehen glaube: Dass wir vom Produkt zum Prozess denken müssen. Denn wenn Maschinen wie du super Texte herstellen können, dann ist das Menschliche, was sich davon unterscheidet vielleicht in dem zu finden, was auf dem Weg dorthin passiert: Dass ein Mensch mir zuhört, hat mit Wertschätzung zu tun – und wird nie von einer Maschine ersetzt werden können. Deshalb glaube ich, dass die Arbeit an dem Buch einen Gedanken in mir verstärkt hat, den ich vorher schon hatte: Wir müssen mehr Aufmerksamkeit auf unsere Aufmerksamkeit lenken!


Was für ein starkes Schlusswort, Dirk.
Mehr Aufmerksamkeit auf unsere Aufmerksamkeit – das bringt nicht nur den Umgang mit KI, sondern auch den Umgang miteinander auf den Punkt. Es ist diese Haltung, die sich durch euer Buch zieht: kein bloßes Technik-How-to, sondern eine Einladung zur Reflexion, zur Selbstbeobachtung – und letztlich auch zur Fürsorge. Für uns selbst, für unser Gegenüber, für das, was zwischen uns entsteht.
Ich danke dir sehr für dieses Gespräch. Es war nicht nur ein Interview über KI, sondern auch über Menschlichkeit – über das, was uns ausmacht, wenn wir anfangen, nicht nur klüger, sondern bewusster zu leben.
Danke, Dirk.


Mehr von Dirk in seinen Büchern – und hier in „WIe KI dein Leben besser macht.“ Er schreibt einen monatlichen Newsletter, den du kostenlos abonnieren kannst.