Wie trainierst du deinen Geist? (Digitale September Notizen)

Dieser Text ist Teil der September-Folge meines monatlichen Newsletters „Digitale Notizen“, der immer zum Ende eines Monats erscheint. Hier kannst du ihn kostenlos abonnieren.

Die Antworten auf meine Frage werden unten fortlaufend aktualisiert.


Im Sommer 2019 stellte Tyler Cown in seinem Blog eine Frage, die mich in Zeiten von KI auf ganz neue Weise beschäftigt. Der Wirtschaftsprofessor wollte mit Blick auf den Trainingsplan des Weltklassebasketballers LeBron James wissen: Wie trainieren eigentlich Menschen, die mit dem Kopf arbeiten?

Für seine Antwort zitiert er David Perell, der einen Trainingsplan für Denker:innen formuliert hat:

Athletes train. Musicians train. Performers train. But knowledge workers don’t.

Knowledge workers should train like LeBron, and implement strict “learning plans.” To be sure, intellectual life is different from basketball. Success is harder to measure and the metrics for improvement aren’t quite as clear. Even then, there’s a lot to learn from the way top athletes train. They are clear in their objectives and deliberate in their pursuit of improvement.

Knowledge workers should imitate them.

Wie trainierst du deinen Geist? Erzähl mir davon in dieser Umfrage (die Ergebnisse werden Ende des Monats in meinem Newsletter verschickt)

Antworten

Hier eine Übersicht über die Antworten, die auf die Umfrage formuliert wurden (werde sie fortlaufend aktualisieren):

Der Umweg als Ziel: „wenn mei­ne neu­gier gross ge­nug ist oder ich ein ziel als er­stre­bens­wert ge­nug be­fin­de, ver­beis­se ich mich ger­ne in pro­ble­me, bzw. ihre lö­sung. manch­mal sit­ze ich stun­den­lang dar­an heim­au­to­ma­ti­sie­rungs­pro­ble­me zu lö­sen oder „fea­tures“ in wir­res.net ein­zu­bau­en. von aus­sen sieht die kos­ten-nut­zen-rech­nung eher schlecht aus: ich „ver­schwen­de“ nicht nur aus sicht der bei­fah­re­rin zeit, son­dern auch ob­jek­tiv. aber sub­jek­tiv ist das wie kreuz­wort­rät­sel lö­sen. es hat kei­nen oder kaum nut­zen, aber es hält das denk­or­gan auf trab oder trai­niert eben den geist. der um­weg als ziel.“ (wirres.net)

Teig kneten: „Für mich ist es das, was ich versucht habe, auch meinen Schüler*innen zu bieten: umwälzen. Wenn ich lese, denke ich weiter, bis der Gedanke so weit ist, dass ich ihn äußern kann und mit anderen teile, die ihn dann weiter formen. Manchmal geht es dann ans Schreiben, manchmal denke ich dann weiter und wiederhole das. Der Gedanke wird so zu einem Teig, den man gemeinsam mit anderen knetet, bis man ihn in den Ofen schieben kann.“ (Bob Blume als Instagram-Kommentar)

Neu verstehen: Bücher lesen – zum Training vor allem über Themen, die mir erst mal fremd sind; Spazierengehen, dabei neue Zusammenhänge entdecken, versuchen anderen Dinge zu beschreiben/erklären, die ich selbst gerade erst meine, verstanden zu haben.

Strukturieren? Das Training meines Geistes erfolgt vor allem durch ständige Informationsverarbeitung. Viel lesen. Tageszeitungen. Blogs. Perspektivische Einordnung auf Social Media. Dabei suche ich gezielt nach Inhalten, die ergänzen oder erweitern was ich schon weiß. Oder eine vollkommen andere Perspektive anbieten. Ich challenge das, was ich zu wissen glaube, immer. Bisher geschieht die Informationsaufnahme allerdings eher unstrukturiert. Mal schauen, ob ich das ändern möchte und kann. Danke daher für die Inspiration.

Originalquellen Lesen und Erkenntnisse nachvollziehen. Nicht einfach Nachrichten konsumieren, Originalquellen lesen, lernen Originalquellen zu finden.

Vokabeln lernen Duolingo. Wenn man sonst vor allem Wissen bearbeitet, ist es beglückend einfach Vokabeln zu lernen.

Geist auf die Palme bringen Neues lernen und aktiv nach Gelegenheiten suchen (zb online Kurse neben der Arbeit zb von Oxford oder LSE auf gestmarter). Bücher oder Magazine lesen, die einen richtig auf die Palme bringen, um mal die Komfortzone zu verlassen, eben weil sie einen anderen Standpunkt vertreten (mein Jahresabo neue Narrative ist somit gleichzeitig mein Cardio Training, weil hoher Puls). Ein Ehrenamt übernehmen, das erweitert brutal den Horizont und bietet viele Reflektionsmöglichkeiten, zb kostenlos Nachhilfe geben. Altes Wissen rauskramen, auffrischen und Gutes tun, beste Kombi.

Kopfrechnen Mit einer Spanisch-Lern-App, kürzlich anhand eines Kopfrechnen-Buches (allerdings erstmal nur Multiplikation zweistelliger Zahlen), berufliche Experimente.

Rätseln Jeden Morgen Wordle & Kreuzworträtsel (NYT / SZ), abends gern Sudoku. Entspannt und trainiert

Pessoa Zum Beispiel wieder mal das „Buch der Unruhe“ von Fernando Pessoa lesen. Gerne auch philosophische Bücher oder vielleicht ganz grundsätzlich nicht nur Blinkist oder Schlagzeilen lesen, sondern immer wieder bewusst verschiedene und tiefer gehende Quellen. Vielleicht überhaupt längere Texte lesen und immer wieder mal weglegen und über das Gelesene nachdenken? Dann hilft ganz bestimmt Gedanken auf Papier bringen oder eben Schreiben – nicht nur Gen AI schreiben lasse. Ich denke wir brauchten so etwas wie (digitale) Philosophie Cafés, wo wir gemeinsam reden, zuhören, denken, inspirieren…

Neugier üben: „Like any passion, curiosity has to be transformed from a raw instinct to a methodical skill. When they are at their best, schools teach students how to arouse and discipline their curiosity. The effectively curious people have cognitive enthusiasm (they like to explore mysteries and think about new things), cognitive confidence (they are brave enough to tackle hard problems) and cognitive complexity (they don’t settle for simple stereotypes)“ (David Brooks, NYT)


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