Wohlstand ohne Wachstum?

Unendliches Wachstum ist in einer endlichen Welt nicht möglich. Diese schlichte Einsicht, die Kindern weniger Schwierigkeiten macht als Ökonomen, wird gegenwärtig durch eine ganze Reihe von Endlichkeiten deutlich: der Energievorräte, der Umweltbelastbarkeit, der biologischen Ressourcen, der Traglast des Planeten. Endlichkeitskrisen sind von einem System, dessen Funktion vom Wachstum abhängt, nicht zu bewältigen – im Gegenteil sind sie Symptome, die das Scheitern der Voraussetzungen anzeigen, auf die das System gebaut ist.
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Die kollektive Vergesslichkeit, dass unsere Umwelten von uns selbst gemacht und die in ihnen geltenden Regeln von uns bestimmt werden, lässt den Status quo fatalerweise immer als den erscheinen, der den Referenzpunkt für jede Form von Veränderung abgibt. Deshalb wird Veränderung umstandslos mit Verzicht gleichgesetzt, wodurch in dem Augenblick, in dem man „Verzicht“ sagt, der Status quo als ein Optimum erscheint, an dem um Gottes willen nicht herumgeschraubt werden darf.
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Um zu einer Vorstellung darüber zu gelangen, was heute getan werden muss, ist ein ratloses Verweilen in der Gegenwart nicht ausreichend – da endet man eben beim Nachplappern der Wachstumsrhetorik und beim Fortschreiben von Strategien, die nicht zukunftsfähig sind. Um Veränderung als positiv definieren zu können, muss wieder die schon lange nicht mehr gestellte Frage aufgeworfen werden, wie wir eigentlich leben wollen, wie unsere Gesellschaft, sagen wir, im Jahr 2025 aussehen soll.

In der Deutschlandfunk-Reihe Wegmarken 2010 hat sich Harald Welzer gestern abend mit der Frage Wohlstand ohne Wachstum? befasst. Das Manuskript der Sendung ist online nachzulesen – und sehr zu empfehlen!