Zwischen Unterwäsche und Plagiat: ein Blick in den rechtsfreien Raum

Eine letzte Anmerkung zu Frau Hegemann: Immerhin war sie es, die in der vergangenen Woche das Thema Urheberrecht derart in den öffentlichen Fokus schob und immerhin tut sie ja auch einiges dafür, dass das Thema (und damit ihr Buch) in den Medien bleiben.

Wie sie selber als Vorlage für begriffliche Mashups dient, kann man in dem schönen Beitrag Die Spiegelung eines Plagiats in der Erschaffung von Wörtern nachlesen. Er ist einer von zahlreichen Texten, die mir in den vergangenen Tagen zum Thema Urheberrecht aufgefallen sind. Die meisten davon führen zu einer interessanten Erkenntnis: Urheberrechtsverletzungen scheinen keinesfalls den bösen Raubkopierern vorbehalten.

Helene Hegemann und andere zeigen, dass die Frage wie man mit geistigem Eigentum umzugehen hat, eine ist, die offenbar völlig abseits des Internets und der dortigen Raubkopie nicht geklärt scheint. Jedenfalls wirkt es so, als gäbe es in der ganz analogen Welt zunächst einiges zu besprechen, bevor man anfängt, auf das vermeintlich (urheber-)rechtsfreie Internet zu schimpfen.

Wie ich darauf komme? Peter Mühlbauer hat mich in seinem telepolis-Text Sony als „Raubkopierer“ (via) darauf gebracht, darin berichtet er von einer offenbar kopierten Unterwäsche-Kreation, die die Sony-Künstlerin Lady Gaga in einem Musikvideo zur Aufführung brachte und die große Ähnlichkeit mit einem Modell der Firma Triumph International aufweist. Mühlbauer schreibt über den Gerichtstermin, den die Unterwäsche-Firma angestrengt hat:

Der Sony-Anwalt kündigte noch während der Verhandlung an, bei einer negativen Entscheidung in die Berufung zu gehen. Eine in diesem Zusammenhang von ihm gemachte Äußerung, die offenbar die gegnerische Partei entmutigen sollte, dürfte auch für YouTube oder für Filesharing-Nutzer von Interesse sein: Danach ist das Lied aufgrund der „Kurzlebigkeit im Musikgeschäft“ ohnehin bald „durch“, weshalb Sony das Video, das dann seiner Aussage nach „keiner mehr haben“ will, einfach zurückziehen werde.

Nicht Kurzlebigkeit, sondern ein ganz anderes Problem, hat Chuck Lorre. Der Erfinder der Serie „The Big Bang Theory“ sieht sich nämlich mit einer weißrussischen Kopie seiner Serie konfrontiert, sie trägt den Titel „The Theorists“ und es ist offenbar nicht möglich, dagegen vorzugehen. Denn:

Nachdem der Produzent sein Produktionsstudio Warner Bros. TV jedoch von diesem Ideenklau berichtete, winkte die Rechtsabteilung ab: Es sei nahezu unmöglich, dagegen zu klagen (und Recht zu bekommen), denn die weissrussische Produktionsfirma, die hinter „The Theorists“ stünde, sei in Staatsbesitz, was in dem Land gleichbedeutend sei mit Unangreifbarkeit.

Es gab in dieser Woche durchaus weitere Meldung, die zeigen, dass der fragwürdige Umgang mit dem geistigen Eigentum keineswegs ein Internet-Problem ist (wie ich ich ja hier schon mal gezeigt habe). Dennoch nutzen zahlreiche Autoren den Fall Hegemann um mit dem Finger auf einen Ort zu zeigen, „wo bisher in Urheberrechtsfragen nur Chaos herrscht – das Internet“ (FAZ).

Dabei kann man genau dort, im Internet, nachlesen, was Helene Hegemann erwartet hätte, wäre sie nicht zufällig auf das Blog von Airen gesurft und hätte sich dort inspirieren lassen, sondern hätte zum Beispiel das (offenbar gar nicht kurzlebige) Jan Delay Album „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ in einer Tauschbörse angeboten: Vielleicht hätte sie dann Post von der Kanzlei Rasch bekommen.

Die Rechtsanwälte Rasch mahnen derzeit für die Universal Music GmbH die unerlaubte Verwertung des Albums „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ von Jan Delay ab. Dem Anschlussinhaber wird vorgeworfen, das Album im Rahmen von Tauschbörsen zum Download im Internet angeboten zu haben. Wie üblich enthält das Schreiben neben der ermittelten IP-Adresse des Anschlussinhabers eine vorformulierte Unterlassungserklärung. Darüber hinaus wird der Anschlussinhaber aufgefordert, zur einvernehmlichen Beilegung der Angelegenheit einen pauschalen Betrag in Höhe von 1.200,00 € zu bezahlen. Dessen genaue Zusammensetzung (Rechtsanwaltskosten, Schadensersatz) wird nicht näher erläutert.

1200 Euro sind – wenn ich das richtig einschätze – übrigens eine kleine vierstellige Summe – so viel hat Ullstein angeblich dem Rechteinhaber gezahlt, dessen Texte in Axolotl Roadkill genutzt wurden; wohl gemerkt dafür, dass Helene Hegemann auf diese Weise einen Beststeller zusammensetzen schreiben konnte. Dass jemand pauschal eine ebenfalls kleine vierstellige Summe dafür zahlen soll, dass er oder sie das Jan Delay-Album ins Netz gestellt hat, lässt für mich nicht den Schluss zu, dass das Internet besonders rechtsfrei sei.

Ich habe das Gefühl, dass hier die Verhältnisse etwas verrutscht sind. Die Kanzlei Rasch wird sich zudem auch nicht von dem Hinweis abschrecken lassen, dass diese Urheberrechtsverletzung womöglich von einer 17-Jährigen begangen wurde, die zum Tatzeitpunkt sogar erst 16 war. Clemens Rasch hat einen ganz anderen Antrieb, wie er hier sagte: „Mein Ziel ist es, dass jeder jemanden kennt, der einen kennt, der erwischt wurde.“

Nicht falsch verstehen: Ich will hier weder die Nutzung von Tauschbörsen, noch die Arbeit von der Kanzlei Rasch bewerten. Es stimmt mich aber doch zumindest verwundert, welche Maßstäbe die Öffentlichkeit anlegt, wenn es darum geht, den Umgang mit geistigem Eigentum zu bewerten.

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