Was machen! Interview zum gesellschaftlichen Engagement

Es war irgendwann vor der Bundestagswahl 2017 als ich zum ersten Mal einen Newsletter von Antje, Nicola, Indre und Johannes las. Unter dem Titel „Was machen“ verschicken sie seit dem „Ideen und Tipps für dein gesellschaftliches und politisches Engagement“ – wie es im Untertitel heißt. Ich lese den Newsletter so gerne, dass ich dem Team von Was machen ein paar Fragen geschickt habe, die sie gemeinsam beantwortet haben.

Ihr habt eine Aktion namens „Was machen“ gestartet? Warum muss man etwas tun?
Ob jemand „muss“, liegt im Ermessen des einzelnen. Zunächst war es unser eigenes Gefühl: was tun zu wollen, um dem verstärkten Rechtspopulismus etwas entgegen zu stellen. Wenn die Mehrheit der Menschen in Deutschland gegen diese rechte Entwicklung und für eine offene, demokratische Gesellschaft ist, dann sehen wir es als wichtig an, dies auch zu bekennen. Hörbar, sichtbar und spürbar Demokratie zu stärken im Rahmen der eigenen Möglichkeiten.
Wir haben uns über die letzten 30 Jahre so sehr an die Freiheiten und Vorteile der liberalen Gesellschaft gewöhnt, dass wir sie lange für selbstverständlich genommen haben. Nun zeigen uns die aktuellen Entwicklungen, dass wir uns konstant für den Erhalt und den Ausbau der Demokratie einsetzen müssen, sofern wir sie nicht wieder verlieren wollen.
Nach der Brexitentscheidung, der Wahl Trumps und den Wahlerfolgen der Afd haben wir von vielen Leuten immer wieder gehört, sie möchten gerne was tun, sich einbringen, wüssten aber nicht wie. Es scheint ihnen die Zeit und Möglichkeit zu fehlen, selbst zu recherchieren, was möglich ist. Oder sie fühlen sich in der Fülle der Möglichkeiten verloren oder können schlecht einschätzen, was es überhaupt bedeutet, sich z.B. ehrenamtlich einzubringen. Sicher gibt es solche Informationen auch in der Presse, jedoch vereinzelt, nicht gebündelt. Wir versuchen mit „Was machen“, konkrete Möglichkeiten des Engagements zusammenzutragen, die sehr unterschiedlichen Aufwand erfordern – ohne zu bewerten, was davon „wirkungsvoller“ ist.

Und wie findet Ihr raus, was man tun soll?
„Soll“ ist nicht der Punkt, denn zunächst wollen die Leute ja, sonst kämen sie ja nicht auf unsere Webseite und würden „Was machen“ abonnieren. Unser Anliegen ist es, weitestgehend neutral (also überparteilich), überregional und unabhängig zu informieren – und zwar über ganz verschiedene Möglichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Engagements. Dieser Anspruch und der Themenschwerpunkt gibt den Rahmen vor, in dem wir mögliche Tipps recherchieren und auswählen.
Wie jedes andere redaktionelle Medium, versuchen wir eine gewisse Vielfalt abzudecken und nicht nur einseitig zu informieren. Zudem bringt jede*r von uns eigene Engagementerfahrungen und (politische) Kenntnisse mit ein. Daraus ergibt sich die Mischung. Bisher stellte es keine Schwierigkeit dar, interessante, abwechslungsreiche Anregungen zu publizieren, zudem gab es in der Zeit vor der Bundestagswahl viele Aktivitäten, die wir für empfehlenswert hielten. Jetzt, nach der Wahl, reflektieren wir unser bisheriges Spektrum und schauen, wie wir inhaltlich und formell weiter vorgehen können und wollen.

Es gibt Leute, die sagen man müsse sich in Vereinen, Parteien oder Kirchen engagieren um wirklich etwas zu bewirken. Kam das für Euch gar nicht in Frage?
Das ist ja nicht zwangsläufig eine Frage von entweder oder. Nur weil wir unser Medium weitestgehend unparteiisch halten, heißt das ja nicht, dass keine*r von uns Parteimitglied ist oder sich nicht auch anderweitig ehrenamtlich mit seinen Kompetenzen einbringt.
Leute aktivieren ist eine zähe Sache, das mussten wir lernen. Zunächst waren wir schon frustriert, weil wir das Gefühl bekamen, es tut sich nichts. Doch unsere Leser*innen-Umfrage hat uns gezeigt, dass sich eben doch was bewegt und politische wie gesellschaftliche Themen ein höheren Stellenwert im Bewusstsein und Alltag der Leser*innen einnehmen.
Vielleicht erscheint einigen, die politisch sehr aktiv sind, so manche unserer Empfehlungen als lapidar. Doch man muss es auch mal so sehen: Es ist einfach nicht jedem möglich – aus ganz verschiedenen Gründen – intensiv ins gesellschaftspolitische Engagement einzusteigen. Das heißt aber nicht, dass diese Menschen gar nichts tun wollen und es wäre falsch, das was es ihnen möglich ist zu investieren, als wertlos zu bezeichnen. Wir können uns nicht hinstellen und behaupten, dass z.B. Nachbarschaftshilfe weniger wert ist, als kommunale Parteiarbeit, in dem wir sagen: „Das bringt doch nichts“. Wenn wir anfangen Engagement so zu bewerten, relativieren wir die Motivation und damit unser solidarisches Miteinander.
Der wichtige Punkt ist, dass wir über den persönlichen Tellerrand emphatisch hinausblicken und handeln. Wo und wie das dann zum Einsatz kommt, muss jeder selbst nach seinen Möglichkeiten entscheiden: Spende oder Kandidatur, ein Statement Shirt tragen oder eine Bürgerinitiative starten, politische Gespräche im persönlichen Umfeld führen usw. …

Ich lese – das sollte ich vielleicht offen legen – Euren Newsletter schon eine Weile mit Genuss. Es gelingt euch, auf Aktionen hinzuweisen ohne belehrend zu sein. Wie macht man das?

Wir haben das jetzt schon öfter als Feedback gehört und es ist ein schönes und überraschendes Kompliment, denn das war nichts, was wir konzeptionell so beschlossen haben. Vermutlich ist das aus unserem redaktionellen Vorgehen geboren: Gemeinsam mögliche Themen recherchieren und beschließen, alle geschriebenen Texte anschließend im Team abstimmen und überarbeiten. Sicher sind wir dabei sehr bedacht vorgegangen, denn es ist uns wichtig, das verstärkte Bedürfnis der Menschen „etwas tun zu wollen“ nicht im Keim zu ersticken. Wir möchten nicht überfordern, sondern motivieren.

In der aktuellen Ausgabe geht es um Pläne für 2018. Was habt Ihr vor?
Wir möchten das Projekt weiterführen, müssen jedoch einräumen, dass uns der Newsletter in der Vergangenheit recht viel Zeit und Konzentration abverlangt hat. Recherche, Redaktion, Abstimmung und Umsetzung war bisher enorm aufwendig, so dass wir dieses Periodikum in seiner bisherigen Form nicht dauerhaft nebenbei erstellen können. Also modifizieren wir zunächst erst einmal die „Taktung“ und den Umfang: anstatt mit jeder Ausgabe immer gleich drei Tipps vorzustellen, wird es nun einer sein. Dafür vielleicht etwas ausführlicher oder auch mal in Form eines Interviews, usw. Aktuell feilen wir noch an möglichen Formaten.
Außerdem werden wir die Inhalte nicht mehr ausschließlich als Newsletter versenden, sondern publizieren diese als Beiträge auf unserer Webseite was-machen.org. So sind diese Informationen auch für Leute, die im Netz recherchieren, auffindbar. Wer den Newsletter abonniert hat, wird unsere Beiträge weiterhin per E-Mail erhalten. Denn auch das ist ein Aspekt, den uns unsere Leser*innen als Feedback mitgegeben haben: dass es durchaus wichtig ist, die Tipps regelmäßig im Postfach zu haben.

Und was sollte sich jede und jeder einzelne fürs neue Jahr vornehmen, wenn er/sie „was machen“ will?
Aufmerksam bleiben, sich informieren, auch wenns mal anstrengend ist. Den Mund aufmachen, wenn wir die Dinge anders sehen, eine Meinung haben und nicht davon ausgehen, dass es schon genügend andere gibt, die da „was machen“ und sich für ein faires, demokratisches Miteinander einsetzen. Oder um es mit Tilda Swintons Worten zu sagen, die auf die Frage der ZEIT „Was würden Sie im Rückblick auf 2017 an sich und anderen gerne korrigieren?“ antwortete: „Die Annahme, dass sich die Dinge ohne wachsame teilnehmende Aufmerksamkeit einfach zum Besseren entwickeln.“ *

Mehr über die Arbeit und den Newsletter von Was machen gibt es auf der Website was-machen.org