Mode meinen, Kleidung treffen

Unter dem Titel Schreibst du noch oder kuratierst du schon? hat Daniel Weber einen wütenden Text verfasst. Rant würde man im Web wohl sagen. Weber, Chef des NZZ-Folio, würde den Begriff wohl eher vermeiden. Denn mit Mode-Worten hat er es nicht so. Das Kuratieren ist für ihn ein solcher Mode-Begriff, den er schon in Museen ungern hört, in den Medien aber gar nicht mag:

Dass Ausstellungen zunehmend kuratiert statt gemacht wurden, kam mir dann schon etwas affig vor, aber der Kunstbetrieb macht sich rhetorisch ja gern ein bisschen wichtig. Und weil das Sich-wichtig-Machen nicht ein Privileg des Kunstbetriebs ist, treibt das Wort jetzt auch in unserer Branche sein Unwesen.

Er hat ein anderes Bild als das des kuratierenden Journalisten. Für ihn wichtig: Schreiben!

Da wüsste ich ein paar noch wichtigere Aufgaben, zum Beispiel recherchieren, reflektieren und formulieren. (…) Journalisten sollen schreiben, und zwar so, dass mich ihre Geschichten packen. Denn das Problem ist ja nicht, dass zu wenig geschrieben, sondern dass zu wenig gelesen wird.

Man ahnt, woher die Wut auf den Begriff des kuratierenden Journalisten kommen mag. Was ich jedoch nicht verstehe: Wie man darüber den Blick derart verengen und einzig schreiben (mit den Zusatzkategorien recherchieren, reflektieren und formulieren) als journalistische Tätigkeit ansehen kann. Ist es also kein Journalismus, was in Fernsehen und im Hörfunk gesendet wird?

Es geht hier vermutlich um etwas anderes. Hier will sich jemand nicht länger sagen lassen, dass sein Beruf sich ändert. Hier will jemand gegen Mode-Worte aufbegehren. Doch dabei verrutschen die Begriffe. Er zielt auf die Mode, trifft aber die Kleidung. Denn selbstverständlich ist das Auswählen und Gewichten eine journalistische Tätigkeit. Aus nichts anderem leitet sich das Bild des Gatekeepers her – nicht aus dem Schreiben. Es geht ums Filtern und Gewichten – und wer es gerne künstlerisch mag, kann auch sagen: ums Kuratieren.

Man kann darüber streiten, ob diese gewichtende Funktion im Zeitalter der Digitalisierung bedeutsamer geworden ist. Ich denke aber, dass die Argumente dafür offensichtlich sind. In dem merkwürdigen Dreh mit dem nicht zu wenigen Schreiben und zu wenigem Lesen, steckt es in Wahrheit ja drin: Im Netz gibt es ein Zuviel an Informationen und ein Zuwenig an Orientierung. Da ist journalistisches Gewichten bedeutsamer denn je. Deshalb sollte man nicht auf das Prinzip des Beinkleides schimpfen, nur weil einem eine spezielle Hose nicht gefällt – sonst steht man ganz schnell nackt da.

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