„Die Bequemlichkeit muss ein Ende haben“

Markus Söder hat gestern im bayerischen Landtag eine Regierungserklärung gehalten. Weil es darin vor allem um Kabinettsumbildung und Corona-Entscheidungen ging, ist ein Aspekt etwas untergegangen, den ich bemerkenswert finde. Der bayerische Ministerpräsident hat eine erstaunliche Variante von „Wir haben die Digitalisierung verschlafen“ formuliert. Er spricht von „Nachholbedarf“ und fordert „dispruptive Prozesse“ im „öffentlichen Sektor“. Wörtlich sagte er (ab Minute 21 Uhr)

Unser Land, Bayern wie Deutschland, ist in der Hightech-Digitalisieurng sensationell aufgestellt. KI, Robotik? Super! Aber in der Alltagsdigitalisierung haben wir echt noch Nachholbedarf. Das geht von Mobilfunk los, Funklöcher, Funkmasten, geht vor allem auch über die öffentliche Verwaltung. Wir müssen da einen Schnitt machen. Wir brauchen disruptive Prozesse. Die Bequemlichkeit, in der sich der ein oder andere auch im öffentlichen Sektor eingerichtet hat, was die Digitalisierung betrifft, die muss ein Ende haben. Und wir werden da in den nächsten Wochen eine sehr entscheidende Phase haben und die Dinge komplett neu aufstellen. Das darf ich Ihnen hier an der Stelle versprechen.

Bequemlichkeit in der bayerischen Verwaltung?

Ich finde diese Aussagen aus zwei Gründen erstaunlich. Erstens dachte ich immer ein wichtiger Antrieb für technische Verbesserungen sei Bequemlichkeit. Da scheint offenbar genau gegenteilig zu sein. Es scheint bequemer zu sein, Dinge nicht zu digitalisieren als Vereinfachungen zu nutzen. Denn zweitens gesteht der bayerische Ministerpräsident mit diesen Wort ein: das Dilamme der Digitalisierung in Deutschland ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis absichtsvoller Politik Bequemlichkeit.

Diese Einschätzung teile ich (und habe das hier in der SZ unlängst auch notiert) und ich verbinde damit die Hoffnung, dass in der Erkenntnis ein erster Schritt zur Lösung liegen könnte. Ich bin sehr ernsthaft gespannt, was Söder in den nächsten Wochen in Sachen „disruptiver Prozesse“ plant.

Ein guter Anfang wäre vielleicht anderer Umgang mit Unsicherheiten, dem Fremden und dem Neuen. Wenn wir anfangen, digitaler zu denken, kommen wir vielleicht auch zu digitaleren Taten.