Der rappende Lehrer von Tiktok – Svante Evenburg im Interview

Das Internet ist super. Heute hat es mir innerhalb von wenigen Stunden auf die charmantest mögliche Weise eine Frage beantwortet: „Ich bin doch schon da“, schrieb Svante Evenburg auf meine Twitter-Frage nach dem rappenden Lehrer, der seit Tagen durch meine Tiktok-Timeline gereicht wird (aber nicht in anderen Medien auftaucht). Seine Frage „Was möchten Sie wissen?“ nahm ich wörtlich und stellte ihm eine paar Fragen zum Tiktok-Ruhm und zum Rappen auf dem Schulhof.

Es passiert nicht oft, dass in meiner Tiktok-Timeline Bilder von einem rappenden Lehrer auftauchen. In den vergangenen Tagen sah ich Sie aber sehr häufig, in sehr unterschiedlichen Clips – beim Freestyle, aber auch in einem Battle-Rap mit einem jüngeren Schüler. Können Sie mal auflösen wer Sie sind und woher die Bilder stammen?
Mein Name ist Svante Evenburg, ich bin 36 Jahre alt und unterrichte an der IGS Querum in Braunschweig. Seit ca. meinem 11. Lebensjahr rappe ich und absolviere Auftritte oder nehme Songs auf. Das wissen auch manche Schülerinnen und Schüler und somit hielt der Abijahrgang es für eine gute Idee, mich beim Abistreich zum Freestylen zu „zwingen“. Man sieht also auf den Videos ein paar Ausschnitte vom Abistreich an unserer Schule, der übrigens sehr unterhaltsam und mustergültig von den Abiturientinnen und Abiturienten organisiert war.

Ich würde sagen: Sie sind mit Ihrem Rap viral gegangen. Dennoch habe ich bisher keine „darüber lacht das Netz“-Berichte über Sie gefunden. Können Sie sich erklären, woran das liegt?
Ich vermute, dass das Tiktok-Universum doch nochmal anders ist, als beispielsweise Instagram oder Youtube, schon fast eine in sich geschlossene Welt. Es gab Anfragen, z.B. von Radiosendern, die ich aber bisher alle mehr oder weniger abgelehnt habe.

Hatte Ihr Tiktok-Ruhm weitere Folgen für Sie oder Ihre Schule?
Ich persönlich hoffe natürlich auf weiterhin gute Anmeldezahlen für den 5. Jahrgang. Da kam das Video freilich für dieses Jahr zu spät. Ansonsten ist es bisher relativ ruhig geblieben.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Tiktok?
Ich habe schon länger einen Account, ohne aber aktiv gewesen zu sein. Der diente eher dazu, mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern in Kontakt zu bleiben. Ich tue mich ehrlich gesagt schwer mit der Art vieler Videos dort, das ist mir zu oft zu sehr inszeniert und teilweise auch einfach übel sexistisch. Und dann steht natürlich noch der große Elefant China im Raum. In dem Kontext war Tiktok tatsächlich auch erst vor Kurzem Unterrichtsinhalt in meiner 7. Klasse.

Was mich fast am meisten an Ihrem Auftritt fasziniert, ist die neue Form von Autorität, die aus Ihren Zeilen spricht. Sie reimen z.B. „Bier reinschleppe“ auf „Weed einstecke“ – mit dem Bild eines klassischen Feuerzangenbowle-Lehrers geht das nicht zusammen. Können Sie denen mal erklären, warum Sie dennoch eine Autoritätsperson sind?
Zunächst einmal denke ich gar nicht, dass sich da etwas ausschließt. Und dann halte ich Autorität für etwas, das maßgeblich durch die Persönlichkeit transportiert wird und da wiederum geht es gerade gegenüber Schülerinnen und Schülern viel um Authentizität. An der IGS Querum bleiben wir als Tutorinnen und Tutoren sechs Jahre für unsere Klasse verantwortlich. In dieser Zeit lernt man sich sehr genau kennen. Die Klasse weiß genau, wie man ist oder eben nicht. Da authentisch zu sein, transparent und der Klasse gegenüber aufgeschlossen – das sorgt für Autorität.

Wird sich durch den Tiktok-Fame jetzt irgendwas für Sie ändern?
Ich vermute mal nicht. Im letzten Jahrzehnt war ich Kommunalpolitiker in Wolfsburg, hatte bspw. zu Beginn des Dieselskandals eine Reihe von Presseanfragen und -terminen. Das kenne ich also schon. Und gestern war ich mit meiner Frau und unseren Kindern in der Innenstadt auf einem Familienfest. Fotos oder Autogramme wollte da niemand. Es war verrückt, wie schnell das Video 5 Millionen Aufrufe hatte. Aber ich denke, ebenso schnell wird es auch wieder vergessen werden. Ein bekannterer Rapper als ich hat mal gesagt, Musik zu veröffentlichen sei „Pissen in den Ozean„. Das dürfte bei Tiktok-Clips ähnlich sein.

Zum Abschluss: Falls jetzt jemand Interesse für Freestyle entdeckt haben sollte, haben Sie einen Tipp für Einsteiger:innen?
Da möchte ich Curse zitieren, was ich äußerst selten tun würde: „Beim Freestylen muss man üben und Bühne trennen. Lieber zehn Sätze, die brennen, als zehn Minuten verschwenden.“
In diesem Sinne: Einfach viel üben, bevor man sich dann mal filmen lässt.

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Zum Thema Tiktok & Schule war ich übrigens gerade im Doppelstunde-Podcast zu Gast. Für virale Kultur und Phänomene wie das oben beschriebene Video interessiere ich mich weil mich Netzkultur fasziniert. In meinem Newsletter „Digitale Notizen“ gibt es deshalb die Rubrik „Netzkulturcharts“. Mehr über Netzkultur in meinem Buch „Meme – Muster digitaler Kommunikation“. Mehr über Tiktok und Medienkompetenz unter tiktok-taktik.de.

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