Der Journalist als Akteur

„Wer wissen will, wie sich unser Beruf gerade verändert“, begann ich im November einen Eintrag über die Piraten im Spiegel. Damals ging es um die Blogeinträge von Marina Weisband und Merlind Theile und die Frage, wie deren Gespräch in einem Cafe in Münster nun genau gelaufen sei. Der Fall illustriert eine neue Anforderung an gegenwärtigen Journalismus: sich erklären, selber auftreten und Akteur werden. Im zitierten Fall ging es dabei darum, abseits des klassischen Artikels zu kommunizieren.

Diese Woche könnte man wieder einen Eintrag mit den Worten beginnen: „Wer wissen will, wie sich unser Beruf gerade verändert“. Fortsetzen muss man diesen Satz diesmal mit dem Bezug auf den Der Herrenwitz betitelten Text aus der aktuellen Ausgabe des Stern.

Dazu ist bereits sehr viel geschrieben worden. Von inhaltlichen Bewertungen und Zustimmung über die lediglich von der Sache ablenkende Frage des Zeitpunkts der Veröffentlichung bis hin zu einem eher missglückten Verkaufstext im Netz, der in einer ersten Version einen Bezug zu Brüderles Ehefrau herstellte.

Mich treiben nach der Lektüre des Textes und seiner Folgen zwei Fragen um: Zum einen wundere ich mich, warum im Stern nicht erwähnt ist, welche Stellungnahme die FDP bzw. Rainer Brüderle zu dem Text hat. Ist er nicht gefragt worden? Gehört das nicht zum journalistischen Handwerk?

Zum zweiten frage ich mich, was es bedeutet, wenn eine Journalistin in der Form persönlich die Bühne betritt und selber zum Beleg ihrer Geschichte wird? Wie verändert dies das Rollenbild? Welche (Schutz-)Funktion kommmt dabei dem Medienhaus zu? Und welche neuen Anforderungen erwachsen daraus für die Journalistin? Hinzu kommt die Tatsache, dass Laura Himmelreich – anders als Annett Meiritz unlängst auf Spiegel Online – nicht nur ein Prinzip kritisiert, sondern eine konkrete Person angeht.
Dabei geht es mir ganz und gar nicht um die Frage, ob dies berechtigt ist. Mir geht es darum, dass sich hier gerade etwas verändert in Bezug auf unseren Beruf. Vor fünfzehn Jahren wäre dies vermutlich so nicht möglich gewesen – technisch nicht und auch nicht aus dem Selbst- und Fremdverständnis der Medien. (Wer dazu mehr wissen will: Kurt Vonnegut hat Zeitungsjournalisten mal als „freaks in the world of writers“ bezeichnet, weil ihnen beigebracht werde, nichts von sich selber preis zu geben)

Laura Himmelreich hat auf Anfragen auf Twitter geantwortet. Überall – sogar in der mit dem durchaus fragwürdigen Sprachbild „kein Freiwild“ überschriebenen Antwort des Stern-Chefredakteurs – wird Laura Himmelreichs Twitter-Account verlinkt, es ist ihr Rückkanal für Nachfragen. Sie hat mit dem Deutschlandradio gesprochen und sich erklärt. Der zentrale Ansprechkanal ist aber Twitter. Wie lernt man, diesen zu bedienen? Welche Möglichkeiten kann man dort nutzen? Welchen Zwängen ist man ausgesetzt?

Ich glaube, dass der Fall in all diesen Bereichen notwendige und spannende Fragen aufwirft. Diese betreffen Selbstbild und Auftreten von Journalisten in einer sich wandelnden Öffentlichkeit. Darüber sollte man reden. Zunächst aber scheint eine Debatte über alltäglichen Sexismus ins Rollen gekommen zu sein, die überfällig ist.
Dass es dabei keineswegs nur um Rainer Brüderle geht, ist mir bei einem Blick in die Statistiken dieses Blogs aufgefallen. Dort tauchen immer wieder Suchanfragen auf, die zu einem Artikel aus dem Jahr 2010 führen. Dieser ist mit der Überschrift „Nackt auf dem Stern“ versehen und offenbar suchen Menschen nach diesen Worten.

Was sie dann finden? Den Hinweis auf die Cover-Gestaltung zum Thema „Vorsorge und Früherkennung“ bei einem bekannten deutschen Magazin. Zu sehen ist da eine nackte Frau, die verträumt (schlafend?) sich selbst mit einem Stethoskop untersucht. Das Magazin heißt übrigens stern.

Ebenfalls zum Thema Normal ist das nicht! bei kleinerdrei, Kein Kompliment, sondern eine Demütigung! bei Publikative, Ich hab keine Worte mehr… bei Frau Dingens

4 Kommentare

Ich weiß, es nervt, mit dem Finger immer über den Teich zu zeigen, aber ist das nicht eine etwas eingeschränkte, deutsche Sicht der Dinge? Im englischsprachigen, besonders im US-Journalismus, ist es doch gang und gäbe, dass der Journalist seine eigenen Erfahrungen als Grundlage für eine Story nimmt. Und anschließend natürlich auch im Netz darauf reagiert. Nur ein Beispiel, was mir gerade spontan einfällt: http://www.wired.com/gadgetlab/2012/11/ff-mat-honan-password-hacker/

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