Das Clinton-Gruppen-Selfie als Symbol für „Das Ende des Durchschnitts“

„Ich versteh es nicht“, sagt der Kollege als ich sein Büro betrete. Vor ihm auf dem Bildschirm seine Facebook-Timeline mit überproportionaler Präsenz eines Bildmotivs aus dem US-Bundesstaat Florida. Fotografiert von Barbara Kinney während der Wahlkampftour der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton am vergangenen Mittwoch. Zu sehen sind ausgestrecke Selfiearme, deren Besitzer der Kandidatin den Rücken zeigen. „Was ist daran so besonders?“, fragt der Kollege. „Sie hat doch gesagt ,Und jetzt macht alle mal ein Selfie‚…“.

Der Kollege versteht nicht, warum dieses Bild dennoch so große virale Verbreitung findet. Es sei doch vor allem die Dokumentation einer Interaktion von Clinton mit ihrem Publikum.

Das ist es, aber ein anderer Kollege bringt später am Tag mit einer Collage auf den Punkt, weshalb die Rücken an diesem Tag vor dem ersten TV-Duell zwischen Clinton und Trump so häufig geteilt wurden: Sie werden als Zeichen einer Veränderung gelesen.

Dabei geht es gar nicht so sehr darum, was das Foto tatsächlich dokumentiert. Mindestens ebenso wichtig ist, was man auf dem Foto sehen kann wenn man es denn will: Man sieht Menschen, die sich von der vermeintlichen Bühne abwenden, ihr den Rücken zudrehen um ein Selbstporträt mit prominentem Hintergrund anzufertigen. Ein taugliches Symbol für die selbstbezogene Smartphone-Gesellschaft, die eher ein Selfie macht als zur Kandidatin zu schauen.

Für mich ist dieses Bild – abseits jeglicher Beurteilung – ein Zeichen für das, was ich „Das Ende des Durchschnitts“ nenne. Ein Zeichen für die Entwicklung zu einer digitalen Gesellschaft, in der nicht mehr das für alle gleiche Standardbild als Erinnerung dient, sondern die unzähligen Einzelfotos, die nicht nur durch das Publikum entstehen, sondern mit dem Publikum: Jedes Selfie zeigt Clinton – aber vor allem ein anderes Gesicht im Vordergrund.

978-3-95757-246-2-x160xx400x-1466586213Mir persönlich ist dabei völlig egal, ob irgendwer das nun gut oder schlecht findet. Mir persönlich ist es Zeichen einer Entwicklung, mit der wir so oder so konfrontiert sind. Und da ich mich in den vergangenen Monaten etwas intensiver mit ihr befasst habe, kann ich klar sagen: Sie wird spannend!

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