Happy Birthday, CD!

Man muss Feste feiern wie sie fallen. Und im amerikanischen Technologie-Netz fallen sie halt anders als bei „Hallo Niedersachsen“. Dort hatte der NDR schon im August gefeiert, was NextWeb (und andere) erst gestern ausriefen: The CD is 30 Years Old Today.

Das ist schön und man möchte – Achtung wichtiges Synonym – der Silberscheibe ein fröhliches (wenn auch wegen der Terminunklarheit leicht verwirrtes) Herzlichen Glückwunsch zurufen. Passenderweise fallen die Geburtstagsmeldungen für mich aber zusammen mit dem Besuch in einem Elektrogroßmarkt vor ein paar Tagen. Ich war dort, um etwas zu tun, was ich früher sehr häufig machte: ich wollte eine CD kaufen.

In meiner Erinnerung tun das viele Menschen. Es gibt ganze Abteilungen, die Menschen mit diesem Wunsch bedienen. Man kann dort Probehören, man kann in Ruhe durch das Angebot stöbern und auf kleinen Stapeln an der Kopfseite der Regale werden einem besondere Fundstücke angeboten.

So war das in meiner Erinnerung.

Die Wahrheit hingegen war etwas deprimierend.

Während eines Einkaufs war mir eingefallen, dass ich die DVD-Box der zweiten Staffel von West Wing gerne anschauen würde. Da ich eh unterwegs war, betrat ich also den Elektrogroßmarkt, dessen Angebot ich seit Ewigkeiten mal wieder mit den Augen des (im weitesten Sinn) Kulturinteressierten ansah. Und ganz klar: die Präferenzen sind verschoben. Im vorderen Bereich geht es nicht mehr um Musik- oder Film-, sondern um Kaffeekultur. Unfassbar viele Brühautomaten muss man passieren, um in den weiter hinten liegenden Bereich für Computerspiele, Musik und Filme vorzudringen.

Dort scheinen die Einkaufs-Architekten vor allem den Vorteil des ziellosen Stöberns in den Vordergrund des Shopping-Erlebnis rücken zu wollen. Eine alphabetische Sortierung des DVD-Angebots fehlte jedenfalls völlig. Stattdessen stapelten sich Box-Angebote regionaler Serienhits neben amerikanischen Arzt-Serien und softpornografischen Einzelfilmen. Die Gefahr, Kinder, die natürlich auch Zugang zu diesem Ladengeschäft haben, diesem Einfluß auszusetzen, hatte man eigentlich eher im Netz vermutet, wohin ich mich nach ratlosen fünfzehn Minuten zum Einkaufen verabschiedete (im Webangebot des Großmarkts fand ich übrigens lediglich die erste West Wing-Staffel – zum Ausleihen).

Keine Sorge, das hier soll kein Abgesang auf das lokale CD-Geschäft sein. Im Gegenteil, der traurige Besuch im Großmarkt zeigte mir vor allem, wie toll, inspirierend und vermissenswert ein echtes Plattengeschäft ist. Ich frage mich vielmehr: Was ist da eigentlich passiert seit meinem letzten Besuch in einer CD-Abteilung? Man hat die Blueray-Disc erfunden, es gibt Spielkonsolen und Umsätze mit Games. Darüberhinaus scheint aber jede Form von Neuerung auf die anderen Abteilungen verteilt worden zu sein. Vor Schlafplatzgroßen Fernsehbildschirmen bewegen sich Menschen mit 3D-Brillen, bei den Brühautomaten wird Kaffee gereicht und vor den Boxen mit Mobilfunk-Logos stehen Handybesitzer Schlange. Im CD-Bereich laufen zwar auch Menschen umher, aber suchend, fragend, ratlos.

Vermutlich bin ich selber Schuld: Ich habe mich einfach von den digitalen Angeboten weglocken lassen und muss jetzt vor Ort mitansehen, was aus den CD-Abteilungen geworden ist. Doch auch im Online-Angebot des Shops finde ich nur 26 Einträge zum Unterpunkt „TV-Serie“ (die übrigens etwa die oben beschriebene Mischung abbilden) und werde das Gefühl nicht los:

Man will mich hier gar nicht als Kunde.

2 Kommentare

Tja… so geht das eben nicht. Mal eben jahrelang nicht mehr im ehemals gut sortierten Plattenladen oder der Musikabteilung des Elektrohändlers auftauchen, und sich dann wundern, dass die nicht all die Jahre auf einen nostalgischen Käufer gewartet haben. So ist das eben. Was auf dem Markt nicht mehr gewünscht wird, stirbt eben aus. Der Turbokapitalismus lässt keine Zeit für Gefühle.

Es gibt in ganz Deutschland nur noch eine Handvoll Orte, die den Namen „CD-Abteilung“ verdienen. Einer davon ist bekannterweise Kaufhaus Beck in München, ein anderer angeblich in Berlin (nach Hörensagen). Als ich vor 25 Jahren nach München kam, gab es mindestens 10 gutsortierte Plattengeschäfte – so verändert sich alles. Das Skurrile ist, dass ja nach wie vor nach wie vor (sogar mehr als früher) CD’s produziert werden, man dann aber als Künstler von den CD-Firmen ständig ein schlechtes Gewissen eingeredet bekommt, da die Scheiben ja niemand kauft. Geht ja auch nicht, da sie nirgendwo zu finden sind. Das letzte Land auf der Welt in dem die CD nach wie vor noch etwas gilt und es gutsortierte Läden gibt ist wohl Japan. Dort sollte man dann den Geburtstag wohl auch feiern.
Die „Jewel Case“ – CD-Box darf übrigens meiner Meinung nach gerne aussterben, die habe ich schon immer gehasst, weil die schon beim Anschauen kaputt geht….

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