Zehn Fragen zum Relaunch-Sommer

In dieser Woche ist offizieller Herbstanfang. Ein guter Anlass, den zurückliegende Relaunch-Sommer zu befragen, denn einige große Nachrichtenseiten haben in den zurückliegenden Monaten ihr Angebot umgestellt.

1. Warum muss ein Relaunch eigentlich immer auf einen Schlag fertig gestellt sein? Ist der Aufmerksamkeits-Effekt wirklich so groß, dass es sich lohnt, das gesamte Angebot auf einen Schlag zu ändern (und zum Teil sogar für eine kurze Zeit offline zu sein)? Wo sind die Webseiten, die sich schritt- bzw. ressortweise renovieren? Im Internet, so hört man überall, ist alles ständig im Fluß, warum nicht auch das Relaunchen?

2. Sind Nachrichten tatsächlich der beste Weg, um sich von anderen abzuheben? Alle setzen auf Aktualität, laufen mit im Kampf um die schnellste Nachricht – mal mit besseren Hintergründen, mal mit größeren Bildern. Gibt es tatsächlich keine Alternativen?

3. Wo ist die Webseite, die Journalismus im Web nicht (nur) als Content, sondern auch als Zugang versteht? Ich habe es hier schon mal angedeutet: vielleicht steckt eine Chance des Journalismus im Netz darin, nicht ausschließlich über Inhalte nachzudenken. Gibt es Angebote, die das bereits praktizieren?

4. Warum versprechen alle immer mehr? Wo ist das Angebot, das weniger verspricht – und das auf einen Blick? Wie schön wäre das: eine Nachrichtenseite, die die fünf wichtigsten Meldungen des Tages auf einem Screen zeigt, ohne Blättern, ohne Scrollen, ohne Boulevard-Kram. Eine einfache Übersicht – und für alles andere gibt es Spiegel-Online.

5. Warum muss man bei Spiegel-Online jetzt von rechts nach links lesen? Ja, es ist ungewohnt, aber es ist zudem auch gegen die gelernte Blickrichtung: Im frischen Spiegel-Online kommen zuerst in der linke Spalte die Zusatzinformationen (Mehr auf Spiegel Online), der eigentliche Artikel folgt dann in der zweiten, in der rechten Spalte.

6. Wie lange kommt Spiegel-Online mit seinem Forum noch durch? Wenn über den Wert von Leserkommentaren gesprochen wird, spricht meist niemand von Spiegel-Online. Denn hier sind die Leser gut in einem Forum versteckt. Wie lange noch?

7. Überhaupt: Wo sind die Leser? Ja, es gibt Kommentare und die Möglichkeit zum Austausch, aber ist das wirklich schon das Beste, was der Web-Journalismus in Deutschland im Jahr 2009 auf diesem Gebiet liefern kann?

8. Welche Möglichkeiten der Verzahnung zwischen Print- und Online sind noch ungenutzt? Man muss das Wort crossmedial gar nicht verwenden, kann aber fragen: Alle im Sommer renovierten Webseiten haben nebenher gedruckte Angebote, wie sind diese mit dem Netz verbunden?

9. Wo sieht man das Ende der Page-Impressions? Bisheriges Erzählen im Web ist oftmals noch durch die Fixierung auf PIs geprägt,, wo sind die neuen Formen, die dem Wechsel hin zu Visits Rechnung tragen?

10. Ist Bewegtbild tatsächlich das nächste große Ding? In den letzten Jahren wurde Video als der unumgängliche Trend im Web beschrieben. Stimmt das wirklich; auch im Blick auf die renovierten Seiten?

2 Kommentare

Zu Punkt 9:
Spiegel Online und Stern.de scheinen sich bei ihren Renovierungen bereits von den PIs verabschiedet zu haben. Laut IVW verzeichneten sie jeweils ein dickes Klick-Minus: Stern.de verlor 31 Prozent seiner PIs und SpOn 22 Prozent seiner Page Impressions. Ob gewollt oder ungewollt sei mal dahingestellt.

Ein elfter Punkt:
Warum brauchen Print-Magazine überhaupt Webauftritte, die ihre Heftinhalte spiegeln? Sollten die Verlage das Geld nicht lieber in originäre Web-Projekte stecken?

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