Shruggie des Monats: Lob des Nebenprojekts

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Der Shruggie des Monats ist eine von meinem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“ inspirierte Rubrik meines monatlichen Newsletters (den man hier kostenlos bestellen kann). Darin beschreibe ich Personen, Ideen und Begebenheiten, die mir besonders passend zur Hauptfigur aus dem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“ erscheinen – dem ¯\_(ツ)_/¯.

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„Keine Ratschläge annehmen“, rät Dirk Stermann in den tollen Interviews auf der Website meisterstunde.de, die eigentlich genau dafür gemacht wurde: Um Lehren von Meisterinnen und Meistern ihres Fachs zu sammeln.

Allein diese wundervolle Ambiguität würde ausreichen um über Meisterstunde im Rahmen der Rubrik Shruggie des Monats zu schreiben. Denn genau diese Bereitschaft zur Widersprüchlichkeit zeichnet die Hauptperson des Buches „Das Pragmatismus-Prinzip“ aus. ¯\_(ツ)_/¯

Meisterstunde ist ein Nebenprojekt von meinem Kollegen Peter Wagner, der auf der Seite Gespräche dokumentiert, die „eine Weisheit“ transportieren, „ein Handwerkszeug oder einfach nur Wissen, das im täglichen Leben und Arbeiten hilfreich sein kann“. So beschreibt er es auf der About-Seite.

Eigentlich dürfte es Meisterstunde nicht geben, denn niemand bezahlt dafür, dass Peter und der tolle Fotograf Gerald von Foris (bin mit beiden persönlich bekannt), sich auf den Weg machen, diese Gespräche führen und dokumentieren. Dass sie es dennoch tun, ist toll – nicht nur für uns Leserinnen und Leser.

Meisterstunde ist kein Podcast, das Projekt illustriert aber, was ich mit dem Dezember-Shruggie „Podcasting“ sagen wollte: Das absichtslose Publizieren kann sehr großartig sein.

Denn der Reiz an solchen Nebenprojekten geht ja weit übers Publizieren hinaus. Sie bieten die Möglichkeit zum Ausprobieren, zum Lernen und zum Weiterentwickeln. Mit Nebenprojekten kann man das tun, was Dirk Stermann auch rät: Etwas anderes machen als das, was alle machen. Nebenprojekte helfen, kleiner zu denken, Fehler zu machen, schlauer zu werden, Entwicklungen zu stimulieren und – mit etwas Pathos gesprochen – zu wachsen.

Nebenprojekte wie die Meisterstunde sind Ausdruck einer Geisteshaltung, die die Psychologin Carol Dweck in ihrem unbedingt empfehlenswerten Buch Selbstbild beschreibt: ein Mindset, das Wachstum für möglich hält. Der Begriff „growth mindset“ beschreibt einen Blick auf sich selbst, der davon ausgeht, dass man in Bewegung ist, sich verändert und sich verändern kann – ein dynamisches Selbstbild. Dem gegenüber steht ein statisches Selbstbild, bei dem man sich selber als quasi unveränderlich gut oder schlecht versteht. Dweck beschreibt wie dieses statische Selbstbild Veränderungen und Wachstum blockiert. Es ist durchaus vergleichbar mit der Streit-Technik, die unlängst als Haben oder Sein beschrieben habe.

Nebenprojekte sind darauf angelegt zu wachsen. Ganz oft sind sie – wie Peter es mit der Meisterstunde zeigt – schon großartig, sie beginnen aber mit der Idee, „fast fertig“ zu sein (was Carol Dweck zum Einstieg in den Ted-Talk als Motivation beschreibt). Sie wachsen und als Betreiber*in des Nebenprojekts kannst du mitwachsen. Das macht Spaß und ist Grundlage für ein dynamisches Selbstbild.

Dieses scheint mir im Sinne Bertrand Russells Ratschlag How to grow old übrigens auch ein guter Ansatz, um tatsächlich in Würde zu altern, um nicht zu verbittern und um mit der Angst vor dem Tod umzugehen. Um diese zu überwinden und „to grow old“ rät Russell: „The best way to overcome it -so at least it seems to me- is to make your interests gradually wider and more impersonal, until bit by bit the walls of the ego recede, and your life becomes increasingly merged in the universal life. An individual human existence should be like a river: small at first, narrowly contained within its banks, and rushing passionately past rocks and over waterfalls. Gradually the river grows wider, the banks recede, the waters flow more quietly, and in the end, without any visible break, they become merged in the sea, and painlessly lose their individual being.

Und das passt ja auch ziemlich gut zur Idee von Meisterstunde. ¯\_(ツ)_/¯

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Der Shruggie des Monats ist eine Rubrik aus meinem Newsletter (den man hier kostenlos bestellen kann). Der Shruggie ist die Hauptfigur aus meinem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“, in dem ich zehn Gründe für einen gelassenen Umgang mit dem Neuen versammle. Wer mehr über das Web und das Internet lernen will, kann dies in meinem Buch „Gebrauchsanweisung für das Internet“ tun.
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