Gewerkschaft und Urheberrecht

Zu der Frage wie eine Gewerkschaft mit den Veränderungen der Digitalisierung umgehen kann, soll und muss, kann man viel sagen. In den vergangenen Wochen ist auch eine Menge dazu veröffentlicht worden (ich selber habe dazu hier einen Beitrag in der SZ verfasst). Der Kollege Matthias Spielkamp veröffentlicht heute einen sehr langen aber lesenswerten Gastbeitrag von Andrea Kamphuis, die erläutert, warum sie zum 30. Oktober ihren Austritt aus der Gewerkschaft erklärt hat. Dabei gibt sie nebenbei einen Einblick in die erstaunliche Debatten-Kultur innerhalb der Gewerkschaft – und benennt als zentrale inhaltliche Schwäche des Positionspapiers:

Die Interessen und das Verhalten der sogenannten Nutzer werden behandelt, ohne dass auch nur ansatzweise die Erkenntnis aufscheint, dass jeder Urheber seinerseits Nutzer ist. Kein Werk entsteht im luftleeren Raum. „Jeder Schöpfer nutzt die Werke anderer, und insofern schadet jede Ausgestaltung des Urheberrechts oder der aus diesem abgeleiteten Schutzrechte, die den Zugriff auf Werke über das notwendige Mindestmaß hinaus beschneidet, potenziell der Erschaffung neuer Werke und dem Dialog zwischen den Werken bzw. ihren Autoren, gemeinhin Kultur genannt. Mir fällt auf, dass der Ausdruck ‚copy and paste’ fast immer negativ besetzt ist – auch im Positionspapier-Entwurf … Dabei ist ‚copy and paste’ auch ein unentbehrliches Werkzeug zur Qualitätssicherung/Fehlervermeidung, ohne das ich meine Übersetzungen und Lektorate nicht im Sinne meiner Auftraggeber erledigen könnte … Ein Urheber, der in diesem Sinne kopiert, trägt nicht zum Untergang des Abendlandes bei und bringt weder seine Geringschätzung anderer Urheber noch eine Freibiermentalität zum Ausdruck, er verrät auch nicht die Werte der Aufklärung, sondern nimmt seinen – auch gesellschaftlichen – Auftrag ernst.“

Erstaunlich daran ist nicht nur die Art und Weise wie verdi das Papier durchgesetzt hat. Erstaunlich ist vor allem, wie schnell der Zug an der Gewerkschaft vorbei gefahren ist. Es ist ja nicht so, dass andere parteipolitische Gruppierungen die Fragen genauso an sich vorbeiziehen lassen wie verdi das tut. Auch wenn Spiegel Online sie gerade beim Kentern beobachtet, es gibt die Piratenpartei, die Digitale Linke, umtriebige Liberale, Sozialdemokraten und Grüne. Überhaupt scheinen mir Bündnis90/Die Grünen in Sachen Netzpolitik am besten aufgestellt zu sein. Vielleicht kann sich Frank Bsirske dort ja mal inspirieren lassen, bevor sich noch mehr Menschen entscheiden wie Andrea Kamphuis.