Gesetze für die Nicht-Auskenner

Am Freitag wurde in Berlin der Deutsche Filmpreis verliehen. Dominik Graf schreibt dazu in Die Zeit lesenswert vom Dilemma der Subventionskulturindustrie und die CDU/CSU-Fraktion nahm den Preis zum Anlass zu einem Filmempfang zu laden, der offenbar als traditionell gilt. In jedem Fall war auch die Kanzlerin anwesend, die wie Spiegel-Online berichtet, künftig in Sachen Urheberrecht Shitstorms trotzen will:

Derzeit würden aus einer „Waffenungleichheit“ plötzlich Abstimmungen über Themen erzwungen, nur weil die einen die Technik besser beherrschten als andere. „Und das kann in einer Demokratie nicht sein“, betonte die Kanzlerin.

Mir ist es bisher nicht geglückt, das direkte Zitat zu finden, das hier indirekt wieder gegeben wird. Denn natürlich wüsste ich gerne, ob die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich das „Erzwingen“ von Abstimmungen ablehnt, weil viele Menschen sie wünschen. In jedem Fall scheint sie – wie andere zuvor ebenfalls – eine gefühlte Übermacht im Netz zu beklagen, die anderer Meinung zu sein scheint als sie. Es geht ums Urheberrecht und um Kopieren im Netz. Dazu zitiert Spiegel-Online die Kanzlerinnen-Forderung:

„Wir dürfen uns nicht wegducken bei Massenbewegungen im Internet“

Das bleibt auch durch die indirekte Wiedergabe so unklar, dass man nur bemerkt, dass die Kanzlerin offenbar gegen das Kopieren im Netz ist und nicht gewillt ist, auf das Aufkommen dieser Massenbewegung konstruktiv zu reagieren.

Erstaunlich ist aber ein anderer Punkt an der Meldung – und zwar der mit der Technik-Kompetenz. Nicht nur gibt es offenbar eine Massenbewegung im Netz. Es ist wohl zudem so, dass es dort Menschen gibt, die „die Technik besser beherrschen als andere“. Daraus solle ihnen aber – so die Kanzlerin – kein Vorteil anderen gegenüber erwachsen. Und hier sind die Kanzlerin und ich absolut einer Meinung. Denn genau darin liegt eine der zentralen Begründungen für die Legalisierung des nicht-kommerziellen Kopierens im Netz (und die Einführung einer Kulturflatrate).

Es darf nicht so sein, dass die Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen im Netz lediglich die trifft, die die Technik schlechter beherrschen als andere. Denn eine solche Situation führt zu einer Ungleichheit vor dem Gesetz: Es werden lediglich jene erwischt, die sich nicht gut auskennen. Die anderen nutzen ihr Wissen, um ihre Herkunft (IP-Adresse) zu verschleiern, vermeiden das Anbieten von urheberrechtlich geschützten Dateien (was in BitTorrents automatisch geschieht) oder nutzen One-Click-Hoster.

Ich bin kein Jurist, ich halte es aber für juristisch nicht angemessen, wenn ein Gesetz nur für die gilt bzw. dessen Durchsetzung nur bei denen verfolgt werden kann, die sich nicht auskennen. Das führt zu einer massiven Legitimationskrise des Urheberrechts, die ich gerne vermeiden möchte, weil ich ein Urheberrecht will, das die Menschen verstehen und akzeptieren (warum, steht hier). Es ist mir nämlich verdammt wichtig.

2 Kommentare

Das Problem nicht nur von Frau Merkel, sondern der meisten etablierten PolitikerInnen ist nicht, dass so viele Menschen im Netz Position beziehen, sondern dass sie diese nicht vereinnahmen können im Rahmen der jeweiligen Parteiprogramme.

Mag #user0x00000111 keine Afghanistaneinsätze? Aber auf einer anderen Site beklagt er sich, dass seine arbeitslose Freundin kein Bertreuungsgeld bekommen soll? Wieder woanders im Netz findet er Steuern doof?

Liebe Parteien – die Komplettpakete, die ihr uns verkaufen wollt, sind nicht mehr unser Ding! Wir wollen konkrete Fragen zeitnah klären.

Dieses Land ist reich. Es reicht für alle. Wenn Ihr diesen Reichtum weiter verschleudert, wundert Euch nicht über die Reaktionen. Versteckt Euch nicht, hört auf vox popoli.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg-Uwe Dosse

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