Die Klaviatur des Preises: Bezahlen mit Piano

Es sind dies vermutlich die beiden wichtigsten Herausforderungen, vor denen Journalismus im Netz gegenwärtig steht: Wie sortiert man und wie finanziert man Informationen im Netz? Das Thema Paid Content war hier im Blog immer mal wieder Thema (unlängst auch im Gespräch mit Stefan Münker) und wird wenn man die Meldungen von heute liest, auch noch an Bedeutung gewinnen. Deshalb habe ich mich gefreut als sich – nach meinem Beitrag über das slowakische Startup Piano vergangene Woche – die Möglichkeit ergab, mit Gründer Tomas Bella über seine Vorstellungen vom Bezahlen im Web zu sprechen:

Du hast deinen Job als Chefredakteur bei der Website einer großen slowakischen Zeitung gekündigt, um dich selbstständig zu machen. Hast du keine Angst vor der Medienkrise?
Ich habe ein Drittel meines Lebens bei der Zeitung und ihrer Website verbracht und es hat mir viel Spaß gemacht. Es war einer der bestmöglichen Jobs, um einem Redakteur (mir) die Möglichkeit zu geben, mit 25 Kollegen 1,5 Milionen Unique Visitors monatlich zu erreichen. Aber ich hatte das Gefühl, etwas Neues tun zu müssen und ganz ehrlich: Über die Krise habe ich mir dabei wenig Sorgen gemacht. Denn vielleicht gibt es nicht so viele Jobs für Print-Journalisten, für Online-Spezialisten gibt es – glaube ich – keine Probleme, einen Job zu finden – zumindest ein Ländern wie der Slowakei.
Während meiner Zeit bei SMK hatten wir mehrere Versuche unternommen, unsere Leser zum Bezahlen im Netz zu bewegen. Wir scheiterten kläglich und gewannen lediglich ein paar Dutzend Abonennten. In den letzten Jahren habe ich dann mehrere Versuche meiner Chefs abgewehrt, Paywalls aufzubauen.

Warum?
Ich glaube, dass eine einzelne Zeitungswebsite nicht in der Lage ist, ein System aufzubauen, dass groß genug und bequem genug ist, um die Leser zu überzeugen. Deshalb sah ich es als Chance, als ich hörte, dass Etarget ebenfalls an einem System arbeitete, das meiner Idee ähnelte. So ergab sich die Möglichkeit, an etwas zu arbeiten, das größer ist als alles, was man bei einem einzelnen Medienhaus machen könnte.


Piano in Aktion, Screenshot von dem neuartigen Bezahlsystem:

Kannst du dieses etwas beschreiben? Also: Was ist die konkrete Idee von Piano?
Traditionell speisen sich die Einnahmen von Zeitungen und Print-Titeln aus zwei Quellen: Es gibt die Erlöse im Werbemarkt und die Einnahmen aus dem Lesermarkt. Im Internet gibt es derzeit nur den Werbemarkt. Aber es stellt sich zunehmend heraus, dass der nicht groß genug ist, um Umsätze zu generieren, die ausreichen, um Inhalte der Art und Qualität zu produzieren, die wir gerne sehen würden. Also haben wir zwei Möglichkeiten: entweder wir akzeptieren, dass die Qualität sinkt oder wir müssen als Leser Wege finden, wie wir für gute Inhalte, hohe Qualität und Service bezahlen. Das ist die Idee von Piano.

Das ist nicht wirklich neu. Aber Bezahlmodelle haben bisher – vielleicht mit Ausnahme vom Wall Street Journal – nicht funktioniert, oder?
Piano ist anders. Wir wollen kein klassisches Micropayment erfinden: Das funktioniert meiner Meinung nach nicht, weil die mentalen Kosten für den Leser – also die Entscheidung ob er für einen Artikel zahlen will oder nicht – zu hoch sind. Zudem gibt es zu viele kostenfreie Alternativen, nicht jede Website hat so exklusive Informationen wie das Wall Street Journal. Deshalb setzt unsere Idee auf die Kombination von Inhalten von verschiedenen Websites. Dadurch wird der Wert gehoben, den die Leser von diesem Online-Abo haben.

Alle, die sich für Paid Content im Web interessieren, blicken gespannt auf die Entwicklungen bei der New York Times. Ganz naiv gefragt: Wenn deren Metric System sich durchsetzt, braucht man Piano dann überhaupt noch?
Ich bin auch gespannt, was bei der NYT passieren wird. Ich hoffe sehr, dass deren neues Modell erfolgreich wird. Aber selbst wenn es das ist, wird es keine Lösung sein, die für alle Medien gleichermaßen adaptierbar sein wird. Denn dann müsste der Leser dafür immer noch viele unterschiedliche Abos auf vielen unterschiedlichen Seiten abschließen. Das ist unbequem und die Zahl der Websites, für die man bezahlen will, ist vermutlich begrenzt. Da greift unsere Idee: Wir wollen Abos kombinieren. Leser können so auch für Seiten bezahlen, die sie eher unregelmäßig besuchen – weil es keine Einstiegshürden gibt.

Wie funktioniert das genau?
Aus der Perspektive des Nutzers ist das System sehr simpel: Wenn ein Leser auf eine Seite kommt, die Piano integriert hat, wird er aufgefordert (siehe Screenshot oben), 2,90 Euro als monatliche Gebühr zu zahlen. Wenn er zahlt, kriegt er sofort vollständigen Zugriff auf die Seite. Wenn er dann eine andere Seite – und es sei es ein Konkurrenzangebot – besucht, erhält er dort ebenfalls vollen Zugriff, ohne sich vorher angemeldet zu haben. Piano erkennt den Nutzer wieder und gewährt ihm Zugang. Der Nutzer kann so also mit einem einmaligen Bezahlvorgang Zugang zu allen Premium-Inhalten eines Landes erwerben.

Und wie wird der Betrag von 2,90 Euro im Monat aufgeteilt?
Der erste Teil (rund 40 Prozent) verbleiben bei dem Medium, auf dessen Seite der Nutzer das Abo abgeschlossen hat. Der übrige Teil wird unter all den Medien aufgeteilt, die an Piano teilnehmen. Dabei wenden wir einen Schlüssel an, der sich an der Zeit orientiert, die ein Nutzer auf einer Seite verbringt. Im Detail ist das recht kompliziert, der entscheidende Parameter ist aber die Zeit. Piano als das zugrunde liegende System bekommt einen Anteil von zwischen 15 und 30 Prozent des Gelds. Der Betrag bezieht sich auf die Bezahlabwicklung, Überweisungsgebühren und solche Dinge.

Ihr wollt im April starten. Gibt es schon Partner für den Launch von Piano?

Wir stehen derzeit in Verhandlungen. Sechs Seiten, darunter das beliebteste Nachrichtenportal der Slowakei, beteiligen sich an dem Projekt, sechs weitere überlegen derzeit noch. Wenn das klappt, decken wir den Großteil des slowakischen Marktes ab. Ich kann noch nichts Genaueres sagen, aber wir planen zum Start 70 Prozent der slowakischen Internet-Nutzer mit Piano zu erreichen.

Und warum habt Ihr das System eigentlich Piano genannt?
Naja, wie du auf einem Klavier auch mit einem Finger eine Taste anschlagen kannst, aber nur dann Musik entsteht, wenn alle Finger zusammenspielen, wollen wir mit unsere Idee eben auch alle Partner zusammenbringen.