Das Beispiel Bon Iver

Was wird das nur für eine Welt, in der jeder publizieren und öffentlich kreativ sein kann? Das ist schon eine sehr tolle Welt! So möchte man mit Bon Iver antworten, dessen #stemsproject gerade auf wunderbare Weise zeigt, dass die Demokratisierung der Publikationsmittel keineswegs den Tod der Kreativität/der Kunst/des Pop zur Folge haben muss. Wenn wir alle Künstler und Urheber sind, stechen besondere Künstler vielleicht auch dadurch hervor, dass sie nicht selber Neues produzieren, sondern auswählen können. Ich habe darüber unlängst mit Moritz Eggert gesprochen (der das hier sehr lesenswert verarbeitet hat) und dazu gestern einen interessanten Text von Tim O’Reilly verlinkt.

Anfang August hatte Bon Iver seine Fans aufgefordert, neue Versionen seiner Songs zu erstellen: Crowdsourcing Remixes sozusagen. Diejenigen Fans, die dazu musikalisch/technisch in der Lage sind, waren also aufgefordert, in eine besondere Form der Interaktion mit ihrem Idol und dessen Musik zu treten. Sie sollten dessen Musik verändert: Das Produkt seines Schaffens einer Variation unterziehen!

Was nach klassischen Vorstellungen von Kunst und Künstlerbildern wirkt wie Gotteslästerung wurde ein sehr erfolgreiches Versions-Projekt. Fans veränderten die Songs und Bon Iver wählte seine Lieblings-Varianten aus. Weil die Angebote Spotify und IndabaMusic mit im Boot waren, gab es neben der handverlesenen Auswahl auch noch ein Preisgeld. Zu den Möglichkeiten, die gerade Spotify für Musiker bieten kann, hier ein interessanter Text, der die App der britischen Band Blur auf Spotify untersucht. Im Fall von Bon Iver hat mich der Streamingdienst allerdings enttäuscht. Die auf dem exklusiven Spotify-Album versammelten Varianten-Songs sind für mich mit deutschem Account irgendwie nicht zu hören. Deshalb klicke ich mit mühsam durch die Sieger-Seiten bei IndabaMusic, da kann man nämlich alles hören.

Wer wissen will, wie diese Aktion ankommt, muss nur mal dem Hashtag #stemsproject auf Twitter folgen. Dort ergeben sich nicht nur interessante Einblicke in das aktuelle Projekt. Man sieht dort auch, was es bedeuten kann, wenn ein Künstler seine Kunst nicht als Produkt, sondern als Prozess versteht. Wenn er Versionen zulässt und fördert. Allein deshalb wird Das Beispiel Bon Iver sicher auch in meinem geplanten Buchprojekt Eine neue Version ist verfügbar Verwendung finden.

Es ist aber auch ein schönes Bespiel dafür, wie sich auch das Selbstverständnis eines Journalisten verändern wird. Dazu hat Mark Deuze im Rahmen Neo Journalism Konferenz in Brüssel gestern eine interessante Keynote gehalten, in der er die These aufstellt: “Everybody is a journalist now.”

Mit den Versionen von Bon Iver im Ohr, kann man sich vorstellen, was, das heißen kann.