Worum gings nochmal in der Urheberrechts-Debatte?

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass ich mich in diesem Blog gefragt habe: Warum heißen die eigentlich Piraten? Man mag es nicht glauben, dass es erst ein Jahr her ist, dass vor lauter Neu-Euphorie der Premieren-Parlamentarier in Berlin die Frage nach einem modernen Urheberrecht in den Hintergrund gedrängt wurde. In diesem Jahr wurden die Piraten nicht nur zum Urheberrechts-Raub-Feindbild – inklusive Regener-Wut. In diesem Jahr sorgten auch Acta-Proteste und das spätere Scheitern im Europaparlament für eine ganz neue und ganz andere Dimension der Urheberrechtsdebatte.

Leider scheint uns diese Debatte – trotz aller Aufregung – nicht näher an eine Lösung des Problems gebracht zu haben, vor das uns die digitale Kopie stellt. Statt ernsthaft über die grundlegenden Fragen des Immaterialgüterrechts zu debattieren, wird ausführlich der Frage nachgegangen, ob Marina Weisband und Julia Schramm ein Buch veröffentlichen dürfen oder nicht.

Dabei ist die Antwort so erschreckend einfach: Es ist völlig egal.

Denn natürlich spielt es eine untergeordnete Rolle, ob die Teilnehmer einer Klimakonferenz diese per umweltschädlichem Langstreckenflug erreichen oder umweltfreundlich auf dem Rad. Wichtig ist die Frage, ob sie auf dieser Konferenz die richtigen Fragen stellen und Antworten darauf suchen. Diese ergeben sich meiner Meinung nach aus den zwei Erkenntnissen, die ich hier schon mal notiert habe: Die digitale Kopie wird nicht verschwinden, sie ist vielmehr bereits Realität.

Jede Urheberrechtsdebatte, die eine Lösung finden will, muss hier ansetzen und die Frage stellen: Wie können Geschäfts- und Gesetzesmodelle beschaffen sein, die mit der digitalen Kopie funktionieren und nicht gegen sie?

Die erste Frage, die sich daraus ergibt, ist viel einfacher als alle Piratenpapiere, die jetzt herumgereicht werden. Sie lautet: Sind wir als Gesellschaft bereit, die hohen sozialen Kosten zu tragen, die aus der misslichen Situtation der fortgesetzten Abmahnungskultur ergeben? Damit meine ich nicht nur den schon lange nicht mehr nur schleichenden Legitimationsverlust des Urheberrechts. Ich meine damit auch das Verhältnis, das sich zwischen Öffentlichkeit und Künstlern entwickelt. Frank Schirrmacher hat dies bereits im Mai fragend auf den Punkt gebracht:

Was erwartet ein Autor, ein Sänger, ein Denker, wenn die erste Begegnung mit seinem Werk im Leben eines Menschen damit endet, dass er in seinen Sommerferien jobben musste, um 1200 Euro Strafe zu bezahlen?

Zentrales Anliegen in der Urheberrechtsdebatte muss es deshalb meiner Meinung nach sein, eine Lösung dafür zu finden, dass Menschen plötzlich Inhalte vom Datenträger lösen und auf anderen Wegen verbreiten können als die Urheber und Verwerter es sich wünschen. Wie wollen wir damit umgehen? Glauben wir wirklich, dass dies weiter über Repression und härtere Strafen geregelt werden kann?

In der Antwort auf diese Frage sollte sich die Gesellschaft scheiden – in die, die der Meinung sind, dass man härter strafen soll und in die, die andere Lösungen finden wollen. Hier verläuft der Graben – nicht zwischen Urheberrechtsbewahrern und -Abschaffern. Ich bin davon überzeugt, dass diejenige politische Gruppierung eine Hohheit über die Debatte erlangen wird, der es gelingt, diese Spaltung zu benennen. Dass dies die Piraten sein werden, erscheint mir mit jedem Tag unwahrscheinlicher.

Diese grundlegende Frage zu stellen, ist ein erster Schritt auf dem Weg zu einer Lösung. Denn nur dann kann man sich auf beiden Seiten der Weggabelung mit Gestaltungsmöglichkeiten befassen. Man kann beschreiben, wie Alternativen aussehen könnten, man kann Strafkataloge offen legen und abwägen, ob sie tatsächlich angemessen sind.

Diese Debatte sollte geführt werden und nicht die über die Buchveröffentlichungen prominenter Piratinnen. Auch die von einigen Piraten nun aufgeworfene Debatte darüber, wie lang das Urheberrecht nach dem Tod des Autors gelten soll, ist dabei vergleichsweise irreführend. Sie beschreibt einen Randbereich des Immaterialgüterrechts. Zentral steht vielmehr die Frage nach den Folgen der digitalen Kopie: Wie gehen wir jetzt damit um, dass Menschen identische Duplikate erstellen können?

Meine Antwort ist übrigens unspektakulär wie logisch: Wir sollten Lösungen suchen, die so funktionieren wie in historisch vergleichbaren Situationen – über pauschale Abgaben. Wo es sozial und politisch völlig unangemessen ist, die singuläre Nutzung zu überwachen, ist es ein gelerntes und erprobtes Modell, mittels pauschaler Abgaben einen Ausgleich zu schaffen.

Es ist deshalb – wie gesagt – ein Gebot des Generationenfriedens jetzt über die Kulturflatrate zu diskutieren!

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