Reden wir übers Urheberrecht

Wer hätte gedacht, dass das Bild des urinierten Jogginghosen-Trägers, den Martin Langer 1992 in Rostock beim Hitlergruss fotografierte, mal zum Anlass für eine neue Debatte übers Urheberrecht werden könnte. Die Chance sehe ich jedenfalls in der kleinen Auseinandersetzung, die sich gerade um die Verwendung des Fotos entzündet hat.

Jan Böhmermann hatte es getwittert und wurde anschließend von einer Kanzlei im Auftrag des Fotografen abgemahnt. Das jedenfalls erzählt er in einem ausführlichen Facebook-Post.

Halb-, Voll- und Hobby-Juristen fühlen sich seitdem berufen, Jan Böhmermann öffentliche Nachhilfestunden in Sachen Urheberrecht zu geben: „Gerade ein Medienmensch wie Böhmermann sollte doch wissen, dass das Urheberrecht auch im Internet gilt„, doziert ein Abendblatt-Autor. Das ist fein gesagt, hilft aber natürlich überhaupt nicht. Denn die Chance, die sich durch diese Debatte ergibt, liegt ja gerade darin, dass Jan Böhmermann sein Unverständnis und Nicht-Verstehen um Urheberrechts-Gesetzestext und Realität im Netz offenlegt.

Um es im Duktus des Abendblatts zu sagen: Wenn sogar ein Medienmensch wie Böhmermann nicht mehr richtig durchsteigt, was geht und was erlaubt ist, sollten wir vielleicht mal über die Ausgestaltung des Urheberrechts sprechen – statt einfach nur darauf hinzuweisen, dass es existiert.

Vielleicht lädt Böhmermann demnächst einfach mal Julia Reda ein – und womöglich kommt dann auch Sven Regener, der hat ja seit 2012 noch sein Engagement für eine konstruktive Lösung offen.


Update:
bei Netzpolitik hat sich Leonhard Dobusch die Mühe gemacht, auszuformulieren, was ich mit dem Link auf den Regener-Brief nur angedeutet habe. Er hat ausformuliert, wie eine urheberrechtliche Lösung für den Böhmermann-Fall aussehen könnte:

Für derartige Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken in sozialen Netzwerken braucht es eine spezifischere – und zweifellos pauschalvergütete – Ausnahmebestimmung in Form einer Bagatellschranke. Anbieter von sozialen Netzwerken würden dadurch zur Zahlung einer pauschalen Vergütung dafür verpflichtet, dass es im Rahmen der gewöhnlichen Nutzung ihrer Dienste ständig – und unvermeidbar – zur nicht-autorisierten Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte kommt. Die Verteilung dieser Vergütung würde wie in solchen Fällen üblich durch Verwertungsgesellschaften erfolgen.

Update 2: Ich habe einen Nachtrag gebloggt.

17 Kommentare

Herr Bleed hat’s ja schon gesagt. Passend dazu verwendet das ehemalige Nachrichtenmagazin unerlaubt Photos und bietet diese auf Anfrage dem Photographen für einen vierstelligen Betrag zur weiteren Nutzung an. Bei aller Liebe … hier endet echt einiges.

Das ist zwar eine Lösung für die Verwendung in sozialen Netzwerken. Aber mehr auch nicht. Das Problem ist allerdings um Größenordnungen komplexer.
Es fängt damit an, dass wir allein in Europa 23 (?) verschiedene Urheberrechtsordnungen haben, die auch noch zwei grundverschiedene Systeme (Urheberrecht und Copyright) beinhalten. Das mag ja in einem analogen Markt noch handhabbar gewesen sein, digital ist es das nicht mehr.
Es geht weiter mit einer größeren Zahl an Werk/Schutzrechtskategorien (allein Deutschland hat 17, wenn ich mich nicht verzählt habe), die allesamt unterschiedlich geschützt sind und allesamt unterschiedlichen Schranken unterliegen, also gesetzlich bestimmte Nutzungen zulassen. Die kann man jetzt digital in einem Werk vereinen und viel Spaß haben herauszufinden, welches Recht denn eigentlich gilt.
Und dann versuchen sie dieses Werk auch mal in einem anderen Land zugänglich zu machen und diese Frage dort zu klären. Viel Vergnügen (für ihren Anwalt).

Europa braucht nicht nur ein einheitliches Urheberrecht, sondern auch eines das die digitale Realität berücksichtigt und das deutlich einfacher ist als das jetzige. Es muss wieder zurück zum Ausgleich zwischen Nutzung von Werken im Sinne der Allgemeinheit und Schutz der Urheber. Derzeit tut es nichts von beidem, sondern maximiert die Einnahmen von Rechteinhabern und Anwälten.

Es gibt kein Recht darauf, dass jeder ohne Einwilligung des Urhebers Werke nutzen kann wie er gerade möchte, auch nicht mit einer pauschalen finanziellen Abgeltung und auch nicht in Netzwerken. Diese Vorstellung ist komplett absurd und widerspricht dem Selbstbestimmungsrecht einer freien Kunst.
Wenn ein Urheber nicht will, dass seine Werke z.B. politisch genutzt werden oder dass seine Werke in Zusammenhänge gestellt werden, die nicht der Intention des Werks entsprechen, die das Werk und/oder den Urheber beschädigen, dann muss es die Möglichkeit geben, dies nicht zu gestatten.
Wenn man als Urheber z.B. nicht will, dass Herr Böhmermann und/oder Herr Diekmann für einen ihrer inszenierten Twitterkriege ungefragt Werke benutzen, um sich gegenseitig zu diffamieren, muss man als Urheber die Möglichkeit haben, dies für seine Werke verhindern zu können.

Im übrigen hat Herr Böhmermann der Unterstellung, er würde das Urheberrecht nicht verstehen, bei Netzpolitik ausdrücklich widersprochen: „Ja, ich kenne das Urheberrecht ganz genau, bin eben auch selber Urheber.“

Oh. Hier ist ja inzwischen Diskussion. Ich muss sagen, dass ich inzwischen auch weit von einer „Muss der digitalen Realtität angepasst werden“ Position entfernt bin. Wenn ich ein Werk mache, dass möchte die die Möglichkeit haben, festzulegen wo, wann, wie und von wem das genutzt wird. Punkt.

Und als Verwender von Werken anderer muss ich das akzeptieren, dass es das gibt. Das nennt sich Respekt. Dass es Twitter und Facebook gibt, wo das wenig zählt … d’acor … aber was Jan Böhmermann gemacht hat, ist ebenso respektlos, wie das was das ehemalige Nachrichten Magazin mit Enno Lenze gemacht hat. Ob man dafür gleich 1000 Euro bezahlen muss, ist eine andere Frage. Aber hier haben sich beide schlicht daneben benommen, meiner bescheidenen Meinung nach.

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