Mehr Respekt: Brand eins übers Kopieren

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift brand eins hat sich das Thema „Respekt“ gegeben und behandelt unter diesem Dach auch die Frage des geistigen Eigentums. Der Text „Geklaut bleibt geklaut“ von Thomas Ramge ist online nicht verfügbar. Im Heft trägt er den Untertitel „Musik, Filme – und jetzt Bücher: Im Internet gilt geistiges Eigentum wenig. Autoren und Verlage beginnen sich zu wehren. Mit guten juristischen und ökonomischen Argumenten“

In dem Text, der sich selbst als „kurze Geschichte der Online-Piraterie“ beschreibt, kommen Verlagsvertreter ebenso zu Wort wie zum Beispiel Philipp Otto von iRights.info und Robin Meyer-Lucht von carta.info.

Trotzdem hinterlässt er mich ratlos. Das liegt zum einen an der Konnotation, die allein schon von Titel und Untertitel des Textes (siehe dazu das Thema Diebstahl-Dilemma) ausgehen, es liegt zum anderen an der Grundhaltung, die ihren Ausdruck in dem Zitat findet, mit dem der Text endet. Es stammt von Dr. Annette Anton, die als Verlagsleiterin bei Campus arbeitet und mit den Worten zitiert wird:

Respekt drücke ich aus, indem ich für eine Leistung zahle. Alles andere ist dämliches Geschwätz.

Ratlos hinterlässt mich das, weil das Zitat in seiner Ausschließlichkeit natürlich falsch ist (was man auch im bei Campus erschienen Free von Chris Anderson nachlesen kann), aber vor allem, weil der Text am Ende leider doch nur die bestehenden Fronten wiederholt und verhärtet. Wenn es in einem ausgeruhten Magazin wie Brand eins, mit einem nachgewiesen großartigen Autoren wie Thomas Ramge (z.B. Marke Eigenbau bei Campus) schon nicht gelingt, die zugrunde liegenden Linien der Digitalisierung zu benennen, frage ich mich, ob es überhaupt möglich ist, abseits der interessengeleiteten Debatte, zu benennen, wie die digitale Kopie die Medienbranche verändert – und wie hier neue Modelle entstehen können und werden.

Die These, dass Menschen Bücher, Filme, Musik im Netz kopieren und man daran Respektlosigkeit ablesen könne, ist dabei das grundlegende Problem des Textes, der mit aller Mühe das Respekt-Oberthema des Hefts bedienen möchte. Dafür nimmt er zahlreiche eher hektische Wendungen von RapidShare über Fußball-Streams und den Paid-Content-Ideen von Times und New York Times sowie dem Treiben der Huffington Post bis zu Flattr und Pirate Bay. Dabei wird stets recht unscharf der Begriff des Kopisten für all jene verwendet, die vermeintlich respektlos sind, weil sie Urheberrechtsverstöße im Internet begehen.

Dass man dies durchaus anders interpretieren kann, beweist dieser Tage UARRR in seinem Blog-Eintrag Raubkopieren ist eigentlich total okay, in dem er sich mit der Frage befasst, warum dieses unverschämt einfache Kopieren so unverschämt beständig genutzt wird:

Niemand will wirklich zehn Minuten auf kino.to verbringen, fünf gefakete Play-Buttons umschiffen, dreizehn Pop-Ups und Overlays wegklicken müssen, um irgendwann auf eine Seite zu kommen, die einen 60 Sekunden Countdown bis zum Stream hat, nur damit man dann wieder fünf Overlays und drei Fakeplaybuttons bekommt, bevor man sieht, dass der Stream kaputt ist und man wieder auf kino.to anfangen kann. Das macht niemandem Spaß, aber man nimmt es in Kauf, weil die Alternative zwar leicht, aber weniger aktuell (Filmauswahl) und erheblich teurer wäre.

Dabei geht es übrigens meiner Einschätzung nach nicht nur um die Bequemlichkeit. Es geht auch darum, die normative Kraft der digitalen Kopie zu akzeptieren und auf dieser Basis Modelle zu entwickeln. Dies ist hier in den vergangenen Tagen schon mal angeklungen – in Fragen von gasförmigen Bezahldebatten und vor allem im Vorschlag der Kulturwertmark.

Alles in allem hätte ich dem Respekt-Heft mehr Respekt entgegen bringen können, hätte es sich die Mühe gemacht, diese Varianten aufzuspüren und die Frage aufzuwerfen, ob in einem Raum, in dem der Vertrieb nahezu kostenfrei möglich ist, sich Respekt nicht doch auch andes ausdrücken kann als über gelernte Bezahlmodelle.

Disclosure: Mein Interesse an dem Thema begründet sich unter anderem in einer eigenen Veröffentlichung. Im Sommer erscheint mein Buch Mashup bei Suhrkamp.

5 Kommentare

die Frage ist doch zu Wem man gegenüber wohl respektlos wäre, wenn es wirklich nur ums Geld ginge.
Was kommt denn bei Künstler an und welcher Batzen bleibt denn bei Wem hängen.
http://waschtrommler.org/2010/10/06/von-westerwelle-geist-und-eigentum/

Konzepte wie Jamendo.com haben sich längst durchgesetzt und auch der Film legt nach ( http://www.thetunnelmovie.net/ )
Alles andere ist ein Aufschrei eines sterbenden Konzepts, welches sich historisch nie auf einem solch hohem Einkommensniveau befunden hat, wie in den letzten Jahrzehnten.

Toller Artikel. Habe das Heft nicht gelesen, aber deine Zusammenfassung reicht schon. Als würde man die Tatsache des „Raubkopierens“ so einfach schwarz/weiß sehen können. Urs Gasser hat in seinem „Generation Internet“ schon vor 3 Jahren analysiert, dass es dabei um viel mehr geht – und schon gar nicht um Respektlosigkeit.

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