Keine Zeitungen am Kiosk

Ich bin schon länger nicht mehr an diesem Häuschen vorbeigekommen, das sich „Mars Kiosk“ nennt und einen etwas merkwürdigen Witz am Dach trägt. Vielleicht sieht das Häuschen, das in Gehentfernung des Münchner Hauptbahnhofs steht, also schon länger so aus, aber um ein paar Tage oder sogar Monate geht es bei dem Blick nicht, den ich auf das Häuschen werfe. Es geht um Jahre, eher Jahrzehnte.

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Das ist die Zeitspanne, in der aus dem Häuschen Zeitungen und Magazine verkauft wurden. Die Anzeige über dem Verkaufsfenster behauptet das auch noch heute, einzig: Es gibt an und im Häuschen keine Printprodukte mehr. Das Angebot des Marskiosk umfasst: Zigaretten, kühle Getränke, Kaffee, Schnaps und allerlei Unterwegs-Kram, gedruckte Informationen gibt es nicht. Nicht mehr.

Früher – und das ist nicht historisch lang her – wurden hier sehr viele Zeitungen und vor allem Magazine verkauft; bzw. jedenfalls angeboten (wie Google Maps aus dem Jahr 2008 dokumentiert) Heute stehen keine Zeitungsständer mehr vor dem Häuschen, es stecken keine Magazine mehr in der Tür und auf der Theke liegt auch kein bedrucktes Papier mehr.

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Mir ist das aufgefallen als ich unlängst an dem Häuschen vorbei ging. Ich weiß nicht, ob das etwas bedeutet, aber es ist mir aufgefallen – weil mir etwas fehlte. Ich finde, dass zu einem Kiosk Zeitungen und Magazine gehören. Ich kenne es nicht anders und ich finde es (deshalb?) richtig.
Mir ist nicht bekannt, warum es im Marskiosk in München keine Printprodukte mehr gibt. Ich ahne aber, dass ich mich an das Bild, das das Häuschen abgibt, vielleicht gewöhnen muss. Ich ahne, dass Menschen, die früher an dem Häuschen bedrucktes Papier kauften, heute auf anderen Wegen an ihre Informationen kommen. Ich ahne, dass der Kioskbesitzer dabei kein Geld mehr verdient.

Was sagt das Bild eines papierlosen Kiosk den Magazinmachern und Zeitungsjournalisten in diesem Land? Muss es sie beunruhigen? Zu neuem Denken motivieren? Können sie auf den Medienwandel reagieren, als deren Bestandteil ich die zufällige Beobachtung am Straßenrand interpretiere?

Der Innovation-Report der New York Times, den tatsächlich jeder lesen sollte, der sich für digitalen Journalismus und den dadurch begründeten Medienwandel interessiert, gibt darauf eine je nach Perspektive offene wie ratlose Antwort. Die Autoren, zu denen u.a. Arthur Gregg Sulzberger zählt, der gerade zum Strategiemanager der New York Times ernannt wurde, ermutigen einerseits jeden Journalisten dazu, „offen zu sein für neue Ideen und bereit zu sein, mit Traditionen zu brechen“ und mahnen gleichzeitig „geduldig auszuprobieren und von den Dingen zu lernen, die nicht funktionieren.“ In der Zusammenfassung schreiben sie:

Individual reporters and editors can experiment with storytelling forms and learn best practices for promoting their work. We could all spend more time doing what the majority of our readers do: reading on phones, using social networks and paying attention to our newest competitors.

4 Kommentare

Das sind interessante Gedanken, aber ich glaube, dass sie verfrüht sind bzw. die Feststellung eines Status zu früh erfolgt. Zum einen ist das im Hintergrund eine Schule und ich kann mir vorstellen, dass in den Pausen der Verkauf von „Zigaretten, kühle Getränke, Kaffee, Schnaps und allerlei Unterwegs-Kram“ bei der zu erwartenden Kundschaft sicher wirtschaftlich attraktiver als „gedruckte Informationen“ sind. Vielleicht hat das ein neuer Anbieter seit deinem letzten Besuch auch erkannt. Zum anderen ergibt meine subjektive Beobachtung hier in Berlin, dass es durchaus viele Kioske noch gibt, die zum größten Teil auf den Verkauf auf Printprodukten setzen. Deren 360°-Auslage umlaufe ich oft und frage mich eigentlich stets, warum ganze Ausgabe und nicht nur die Titelblätter für Tage und Wochen hinters Glas geklemmt werden und vergilben.

Ja, vielleicht hat das alles gar nichts mit dem Medienwandel zu tun – vielleicht aber eben doch …

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