Die Moral vom Filesharing

Das ist original die am wenigsten zielführende Diskussion, an der ich jemals teilgenommen habe.

Sascha Lobo kommt zu einem vernichtenden Fazit zu der Debatte, die er gestern mit Marcel Weiss in Berlin geführt hat. Ich habe nicht alle Debatten von Sascha verfolgt, würde ihm aber widersprechen. Denn trotz allem Durcheinander, der fehlenden Moderation, dem (technisch) etwas zu gleichwertigen Publikum (das ständig lautstark dazwischen reden konnte und durfte) muss ich sagen: Die gestern gescheiterte Debatte ist dringend notwendig (und allein der Versuch deshalb ehrenvoll). Denn alles Reinrufen und Unterbrechen hat vor allem gezeigt, dass hier eine gesellschaftliche Praxis vorliegt, die bisher viel zu wenig eingeordnet wird – und der Sascha und Marcel alleine auch nicht Herr werden.

Denn die entscheidende Frage wurde von einem nach wenigen Minuten vorhersehbaren rhetorischen Spiel verdeckt: Sascha wollte eine moralische Wertung der Tauschbörsen-Nutzung von Marcel, der zog sich auf eine rein wirtschaftliche Beschreibung zurück. Die Frage jedoch, wie man mit dem Filesharing umzugehen hat, wenn es denn – was Sascha behauptet – schlecht sei, wurde nicht gestellt. Abgesehen davon, dass es durchaus Studien gibt, die Saschas These in Zweifel ziehen, folgt der für mich entscheidende Schritt erst nach der Behauptung, Filesharing sei (weil es vermeintlich an die Stelle von Verkäufen tritt) schlecht.

Wenn das stimmt, muss man doch an Modellen arbeiten, die diese schlechte Praxis ersetzen. Leider wurde dieses Thema gar nicht angeschnitten (jedenfalls in der Phase, in der ich die Debatte verfolgen konnte), die Frage nämlich, wie man denn auf Filesharing reagieren soll. Und hier würde ich Saschas Zugang über den moralischen Vorwurf widersprechen. Selbst wenn er damit inhaltlich recht haben sollte: Ich glaube, dass die moralische Abwertung der Tauschbörsennutzung diese nicht beenden wird.

Abgesehen davon, wer das Faß mit der moralischen Bewertung des Teilens von Musik öffnet, muss sich hier durchaus die sprachliche Genauigkeit gefallen lassen, dass die Rede vom Diebstahl irreführend ist. Mehr noch: Wer die Bitte um eine Kopie einer Datei ablehnt, handelt damit gegen das in der Offline-Welt gelernte moralische Schema, dass man doch teilen soll. Außerdem gibt es keinen Grund, eine solche Bitte abzulehnen, denn es ist keinerlei persönliche Anstrengung damit verbunden. Damit sage ich nicht, dass ich eine vergütungsfreie Nutzung unterstützen möchte. Damit will ich lediglich sagen: Wer einzig moralisch über Filesharing spricht, muss akzeptieren, dass die moralischen Kategorien von schwarz oder weiß hier in zahlreiche Grautöne abrutschen.

Wenn man also konstatiert, dass die rein moralische Debatte über das Thema nicht wirklich zielführend ist, muss man nach anderen Modellen fragen: Wie also kann man auf die digitale Kopie reagieren, wenn man diese weder technisch noch moralisch kontrollieren kann? Vielleicht so wie man in den 1970er Jahren auf die Kopie auf Kassetten und Tapes reagiert hat: mit einer Pauschalabgabe.

Wenn wir die Leute nicht davon abhalten können, dass sie Kopien machen, müssen wir Wege finden, wie Künstler wenigstens indirekt bezahlt werden. Diesem Gedanken folgt die Idee der Leermedienabgabe, die wir alle selbstverständlich auf Kassetten gezahlten haben und noch heute zum Beispiel auf Rohlinge zahlen. Warum diskutieren wir nicht endlich darüber, wie man ein solches Modell in die digitale Welt übertragen kann, statt uns auf der Ebene der moralischen Wertung festzubeißen, die außer ein wenig Aufregung am Ende nichts ändert?

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7 Kommentare

Das Problem ist ja nicht, dass es für unsere digitalen Vervielfältigungen keine Abgabe gibt. Eine Vielzahl der Geräte, die wir tagtäglich dafür einsetzen, wird eben mit solchen Abgaben belegt – sei es die Festplatte oder der Computer. Allerdings ist diese Abgabe ja nun einmal lediglich für solche Kopien, für die wir uns auf die Privatkopie berufen können. Bei den Downloads per Filesharing oder Share-Hosting greift diese nun schlichtweg aber nicht – vermutlich auch aus dem Grund, dass die Privatkopie eine ganz andere Dimension meint, als es die digitalen Kopien erreicht haben.

„Ich glaube, dass die moralische Abwertung der Tauschbörsennutzung diese nicht beenden wird“

LOL? Tauschbörsen werden seit über 10 Jahren „moralisch abgewertet“, also seit es diese gibt! Da es aber immer noch Tauschbörsen gibt, und diese sogar viel viel besser sind als jemals zuvor, hat die konstante Verteufelung also offensichtlich nicht deren Nutzung beendet. Wie sollte es das auch? Tauschbörsennutzer wissen doch alle, woher der Wind weht und das das alles Bullshit ist.
Diese Art der Argumentation läuft aber sowieso ad absurdum, weil Tauschbörsennutzung ja jeden (legalen) Zweck erfüllen kann (und das auch tut). Wer von moralischer Abwertung spricht, tut damit ja so, als seien Tauschbörsen irgendetwas illegales, was nicht der Fall ist. Solch perfides Verhalten sollte man mal verteufeln.

Die Moralische Frage stellt sich nicht hinsichtlich des Tauschens, sondern mit dem aktuell damit einhergehenden fehlendem Respekt gegenüber dem Künstler.

Marcels Argumentation, dass die Vertriebskosten doch faktisch gegen Null tendieren würden (was so auch nicht stimmt), und damit der Künstler doch mit dem Vertrieb seiner Musik keinen Aufwand hätte, zeigt die Ignoranz derjenigen, die an den Vorgang des künstlerischen Schaffens techno-ökonomisch herangehen. Diese ignorieren völlig den Schaffensprozess, der die eigentliche künstlerische Leistung darstellt und dessen Kosten bei guter Musik niemals gegen Null tendieren.

Das „Verkauft-halt-TShirts“-Argument zeigt die völlige Naivität der Tauschbörsen-Verteidiger. Der Künstler soll also jetzt, weil sein eigentliches Produkt von allen gerippt wird, zum Baumwoll-Verchecker werden. Solange es keine Textil-Kopierer gibt ein wirklich Super-Argument, aber ein weiterer Tritt ins Gesicht derjenigen Musiker, die einfach nur mit Musik die Butter auf Brot bekommen wollen.

Eine social learning hinsichtlich der praktischen Notwendigkeit von materieller Anerkennung künstlerischer Leistungen ist dringend notwendig.

Das Verteidigen von alten Bezahlmodellen durch Strafverfolgung oder dem Aufrechterhalten eines überkommenen Verständnisses von Kultur durch Begriffe wie „Geistiges Eigentum“ ist ebenso falsch wie ein verantwortungsloses Schönreden von Online-Konsum künstlerischer Produkte ohne Anerkennungs/Respekt-Mechanismen. Diese sollten auf breiter gesellschaftlicher Basis etabliert werden, umso den Künstlern, basierenden auf ihren eigentlichen Fähigkeiten, Einkünftsquellen zu ermöglichen.

Wer wirtschaftliche Argumentation vor gesellschaftliche Übereinkünfte (z.B.’Moral‘) setzt, ist ein gefährlicher Technokrat 2.0 – Ich für meinen Teil war sowohl von der fehlenden Eloquenz als insbesondere von der inhaltlichen Arroganz von Marcel an diesem Tag schwer enttäuscht.

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