Buzzfeed-Kopie: wie Social Publishing den Journalismus verändert

Dafür, dass derzeit so viel drüber geredet und geschrieben wird, ist es erstaunlich, dass die denic unter der Suche „buzzfeed-kopie.de“ noch keinen Eintrag findet. Denn in zahlreichen Diskussionen wird die amerikansche Plattform zur Vorlage für Neugründungen oder neue Ansätze im Bereich der Online-Publizistik herangezogen. Vor ein paar Tagen ist Upcoming mit einem deutschsprachigen Angebot gestartet und aus der Schweiz erfährt man, dass gleich mehrere Verlage Buzzfeed-Kopien in Planung haben.

buzzfeedkopie

Meinem Eindruck nach, ist Buzzfeed dabei zu einer Art Oberbegriff für etwas Neues geworden, von dem für die meisten gilt, was Karsten Lohmeyer in LousyPennies so beschrieb:

BuzzFeed ist eine Seite, die für einen klassischen (Print-)Journalisten wie mich sehr schwer zu ergründen ist. Sie ist eine riesige Aggregationsmaschine, die auf den ersten Blick nur aus Listen, Gaga-Videos und weiterem größtenteils unjournalistischem Kram zu bestehen scheint, aber mit aggregierten und selbst produziertem Content im August diesen Jahres bereits 85 Millionen Menschen erreichte

Ende September entwickelte sich in Deutschland eine kleine Debatte über Buzzfeed, in der Christoph Keese sieben Gründe für den Erfolg von Buzzfeed notierte. Neue Elite, 120 Sekunden und Netzpiloten griffen das Thema auf. Marcel Winatschek startete einen Versuch „Eine Woche Buzzfeed“ und gab sich dafür bei „nur eine Regel: Hauptsache interessant, diskussionswürdig, Aufmerksamkeit erregend!“

Mit diesen drei Punkten könnte man auch klassischen Boulevard-Journalismus beschreiben, dafür braucht man keinen Buzzfeed-Bezug. Dieser liegt glaube ich eher in dem, was der Guardian „social publishing“ nennt – und was ich nach der Veröffentlichung eines Memos von Buzzfeed-Gründer Peretti in einem Text in der SZ so zusammenzufassen versuchte:

… für Peretti bedeutet digitaler Journalismus mehr, als eine Facebookfanseite einzurichten. Er erwartet eine andere Art des Denkens: Bisher haben Journalisten ihre Zeit in die Herstellung von Inhalten investiert, im Zeitalter von Social Media sei das nur die eine Hälfte journalistischen Arbeitens. „Mindestens fünfzig Prozent der Arbeitszeit muss man heute darauf verwenden, diesen Inhalt auch über den richtigen Kanal an die Leser zu bringen.“

Seiten, die sich dieser Form des Publizierens verschrieben haben, wertet der Guardian in dieser Grafik aus …

… und zeigt damit, dass Buzzfeed für eine weit größere Entwicklung steht. Wer verstehen will, wie dieses „Social Publishing“ bei Buzzfeed funktioniert, muss man sich anhören was Peretti erzählt oder nachlesen, was der Internet-Virologe Ze Frank, der bei Buzzfeed für Videos zuständig ist, hier erklärt: Es geht nicht ums Konsumieren von Inhalten, es geht um (soziale) Kommunikation.

The content piece, however, is only one element of the larger ecosystem in which we share media. Creators of shareable video must also consider the network, be it YouTube, BuzzFeed.com, Facebook, Twitter, Tumblr, or beyond. Frank said these are more complicated than we think. Only 10 percent of BuzzFeed’s video views come from YouTube subscribers, and only 6 percent come from BuzzFeed itself. Figuring out the nuances of where the rest of the audience is coming from — for example, that Facebook is a better sharing tool for emotional content while Twitter is better for informational content — is essential.

Meiner Meinung nach wirft diese Art des konsequenten digitalen Publizierens Fragen auf, die sich jeder Journalist stellen sollte, der im Netz veröffentlicht. Zum Beispiel diese fünf:

> Wie erreicht mein Inhalt seine Leser?
> Nehme ich darauf Einfluß?
> Was machen meine Leser mit diesem Inhalt?
> Wie verfasse ich Teaser für (welche?) sozialen Netzwerke?
> Wie unterscheiden sich „social teaser“ von klassischen Anreißern?

Aus der Aufforderung von Peter Horrocks aus dem Jahr 2010, zu beobachten welche Reaktionen die eigenen Inhalte nach sich ziehen, wird in Zeiten von Buzzfeed der Ansatz, die Verbreitung von Inhalten zum Bestandteil journalistischer Arbeit zu machen. Dass das überhaupt nichts mit Katzenbildern zu tun hat, sondern durchaus auch für klassischen journalistischen Inhalt gilt, zeigt das meiner Einschätzung nach viel spannendere Buzzfeed: Upworthy – das Projekt, hinter dem u.a. Filter-Bubble-Autor Eli Pariser steckt und das sich gerade über vier Millionen Facebookfreunde freut:

Mehr zum Thema Social Publishing u.a. im Blog Phänomeme, das ich für die SZ betreibe und in diesem Buzzfeed-Porträt.

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