Shruggie des Monats: Q und das Gendersternchen mit doppeltem i-Punkt

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Der Shruggie des Monats ist eine von meinem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“ inspirierte Rubrik meines monatlichen Newsletters (den man hier kostenlos bestellen kann). Darin beschreibe ich Personen, Ideen und Begebenheiten, die mir besonders passend zur Hauptfigur aus dem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“ erscheinen – dem ¯\_(ツ)_/¯.

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Ich war unlängst im Podcast von Christoph Keese zu Besuch. Darin habe ich mich in das etwas schiefe Bild verstrickt, die Digitalisierung als Mensch zu denken, der in den Raum tritt. Christoph Keese hat mich dann gefragt, wie wir uns die Digitalisierung vorstellen müssten und ich habe geantwortet: „Vermutlich so wie Q“.

So nennen ihre Macher*innen die erste geschlecherneutrale Computerstimme. Anders als Siri (weiblich) ist Q keinem Geschlecht klar zuzuordnen. Es lohnt sich, Q anzuhören, weil erst dann klar wird, wie prägend die geschlechtliche Konnotation in den bisher bekannten Computerstimmen ist. Q legt das auf eine erstaunliche Weise offen und würde der Shruggie sprechen können: er hätte vermutlich die Stimme von Q.

Womit wir auch bei einem Fehler sind, den ich der Hauptperson meines Buches zugeschrieben habe: das Geschlecht. Ich habe das im „Was würde der Shruggie tun?“-Podcast schon mal erwähnt: Würde ich das Buch nochmal schreiben, das Shruggie wäre wie Q – nicht eindeutig zuzuordnen. Oder zumindest so wie das Känguru in Marc-Uwe Klings Epos über das Leben mit dem Beuteltier.

Aber Q ist eine gute Ratgeberstimme, um sich der Frage zu nähern, wie man denn eine gendergerechte Sprache erhalten könne. Eine Lösung besteht in dem kürzlich als Anglizismus des Jahres ausgezeichneten Gendersternchen. Ich benutze das Gendersternchen auch hier im Blog gelegentlich um Leser*innen anzusprechen und nicht nur mitzumeinen. Es gibt aus unterschiedlichen Richtungen Kritik an diesem kleinen Symbol. So zementierte der Verein für deutsche Sprache im März seine Rolle, in dem er diesen Tweet formulierte, der vor allem klar macht: An einer konstruktiven Lösung des Problems gibt es offenbar wenig Interesse. (Wer im Detail nachlesen, was alles gaga ist an diesem Verein und der Sprachkritik, kann diese hier und hier tun).

Dass man durchaus Kritik am Gendersternchen formulieren kann, hat Luise Pusch im jetzt-Gespräch sehr anschaulich formuliert. Dennoch möchte ich das Gendersternchen als Shruggie des Monats loben, weil es trotz der Kritik meiner Meinung nach ein Zeichen des Fortschritts ist – wie auch diese Petition für gendergerechte Sprache in der Wikipedia.

Denn dieser Fortschritt ist nicht nur erkenn-, sondern auch hörbar. Man spricht in der Phonetik von einem glottalen Plosiv, um zu beschreiben, dass es durchaus möglich ist, ein Gendersternchen (oder eine Variante) auszusprechen. Felix Stephan beschreibt dies in der heutigen Ausgabe der SZ sehr lesenswert: „Die Lösung, die zunehmend zu hören ist, besteht darin, vor dem gedachten Binnen-I eine kurze Pause einzulegen, wobei ein neuer Laut entsteht: ein kurzer, trockener, kaum wahrnehmbarer Kehllaut, an der Stelle, an der hier der Bindestrich ist: Künstler-innen.“ Felix schreibt, so etwas „kommt im Deutschen im Grunde unentwegt vor. Etwa wenn zwei Vokale aufeinandertreffen, die sich nicht in derselben Silbe befinden. Zwischen dem „e“ und dem „a“ in „Theater“ zum Beispiel.“ Das ist interessant, weil es das gängige Gegenargument gegen das Gendersternchen aufhebt, dass man dieses nicht aussprechen könne. Es passiert im Gegensteil sogar ständig – zum Beispiel im Französischen, wo für solche Fälle der doppelte i-Punkt im Einsatz ist (Dass also das „a“ und das „i“ in „naïve“ getrennt gesprochen werden und nicht wie in „Flair“, erkennt man an den zwei Punkten über dem i.), was ja auch als Ersatz für das Gendersternchen denkbar wäre: „Das wäre dann nicht nur linguistisch begründbar, sondern auch ästhetisch ein erheblicher Gewinn: Künstlerïnnen. Redakteurïnnen. Seglerïnnen. Was für eine Zukunft wäre das, in der deutsche Wörter aussehen könnten wie das französische „coïncidence“? Sicher keine schlechte.“

¯\_(ツ)_/¯

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Der Shruggie des Monats ist eine Rubrik aus meinem Newsletter (den man hier kostenlos bestellen kann). Der Shruggie ist die Hauptfigur aus meinem Buch „Das Pragmatismus-Prinzip“, in dem ich zehn Gründe für einen gelassenen Umgang mit dem Neuen versammle. Wer mehr über das Web und das Internet lernen will, kann dies in meinem Buch „Gebrauchsanweisung für das Internet“ tun.
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